16. Oktober 2009 · Kommentare deaktiviert für OLG Karlsruhe: Umzug ins Ausland vom sorgeberechtigtem Elternteil zusammen mit Kind gegen den Willen des anderen umgangsberechtigten Elternteil möglich, wenn Gründe für Wegzug schwerer wiegen als Umgangsinteressen von anderem Elternteil · Kategorien: Aktuelle Entscheidungen, Sorgerecht, Umgangsrecht

In der umstrittenen Frage, ob der sorgeberechtigte Elternteil zusammen mit dem Kind gegen den ausdrücklichen Willen des anderen umgangsberechtigten Elternteil ins Ausland wegziehen darf, hat das OLG Karlsruhe in einer aktuellen Entscheidung Stellung genommen.

Bezüglich dieser Frage werden 3 Auffassungen vertreten: nach der weitest gehenden Meinung steht es dem sorgeberechtigten Elternteil prinzipiell frei, über den Aufenthalt des Kindes zu entscheiden, diese Recht wird vom dem Umgangsrecht des anderen Elternteils nicht beeinträchtigt. Nach einer zweiten vermittelnden Auffassung ist eine Gewichtung der Sorgerechtseignung und der Gründe für den Wegzug ins Ausland des betreffenden Elternteils vorzunehmen. Bei einer besseren Eignung des umzugswilligen Elternteils muss das Umgangsrecht des anderen Elternteils als „schwächeres“ Recht zurücktreten. Nach der dritten Meinung schließlich hat der Umzug ins Ausland im Zweifelsfall zu unterbleiben, im Fall eines Konfliktes zwischen Sorge- und Umgangsrecht spräche die Vermutung des § 1626 III S.1 BGB für eine Kindeswohlschädigung, wenn durch eine derartiges Vorhaben das Umgangsecht des anderen Elternteils wesentlich erschwert bzw. ganz vereitelt würde.
Das OLG Karlsruhe hat der zweiten vermittelnden Auffassung den Vorzug gegeben. Es hatte über den Fall einer US-Amerikanerin zu entscheiden, die nach dem rechtskräftig geschiedener Ehe mit einem deutschen Mann zusammen mit dem gemeinsamen Kind, dass beide Staatsangehörigkeiten besitzt, zurück zu in ihre Heimat Colorado umsiedeln wollte, wo auch ihre Mutter sowie ihr neuer Partner wohnt, der zwischenzeitlich ihr Verlobter ist. Das Gericht hat dem Antrag der Mutter auf Übertragung des Sorgerechts, hilfsweise des Umgangsrechts letztendlich aus folgenden Gründen stattgegeben: zwar sind beide Elternteile grundsätzlich zur Erziehung beteiligt, Hauptbezugsperson ist jedoch die Mutter, bei der das Kind seit der Trennung lebt und es auch schon vorher versorgt hat, was dem Vater berufsbedingt nur bedingt möglich war. Vor allem kann entgegen dem Vortrag des Vaters nicht davon ausgegangen werden, dass die Mutter lediglich ins Ausland zieht, um die Umgang zwischen Vater und Kind zu beschränken. Vielmehr gab es andere beachtliche Gründe, wie etwa die Tatsache, dass die Mutter zu ihren Verwandten und ihrem neuen Partner ziehen will, mit dem sie zwischenzeitlich sogar verheiratet ist. Des Weiteren hat sie in den USA inzwischen eine Teilzeitstelle und der Ehemann sogar eine Vollzeitstelle. Zudem ist das Kind durch einen endgültigen Aufenthalt in den USA in seiner Entwicklung nicht gefährdet, da es bereits mehrfach in den USA war, dort bereits mit den örtlichen und familiären Gegebenheit vertraut ist, eine Art Vorschule besucht und darüber hinaus zweisprachig aufgewachsen ist. Schließlich ist noch von entscheidender Bedeutung, dass das Verhältnis des Kindes zum Vater trotz mehrmonatiger Abwesenheit nach wie vor sehr gut ist, die diesbezügliche Bindungstoleranz seitens der Mutter offensichtlich gegeben und es dem Vater möglich ist, über die von der Vorinstanz festgelegten Umgangstermine hinaus das Kind zu besuchen. Wenn alle Beteiligten im Interesse des Kindes hieran mitwirken, ist es somit möglich, die guten Beziehungen zwischen Kind und Vater weiter wachsen zu lassen.
Nach Anwendung der für die Ermittlung des Kindeswohl zu prüfenden Grundsätze wie der Kindeswille, Bindung des Kindes an beide Elternteile, Kontinuitätsgrundsatz und Förderungsgrundsatz hielt es der Senat der OLG den Wegzug des Kindes zusammen mit der Mutter in ihre ausländische Heimat für die dem Kindeswohl am besten entsprechende Lösung.
(OLG Karlsruhe: Urteil vom 27.11.2008, AZ: 2 UF 88/08, in: ZKJ 04/2009, S. 171-174)

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