09. Mai 2023 · Kommentare deaktiviert für Streitigkeiten bei gemeinsamer Sorge in Einzelfragen, Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil nach § 1628 BGB · Kategorien: Sorgerecht

Um bei Streitigkeiten über Einzelfragen zwischen gemeinsam sorgeberechtigten Elternteilen von Seiten des Familiengerichtes die Entscheidungsbefugnis für diese Einzelfragen nach § 1628 BGB übertragen zu bekommen, sind mehrere Voraussetzungen zu erfüllen. Es muss ein entsprechender Antrag beim zuständigen Familiengericht durch einen sorgeberechtigten Elternteil gestellt werden, dass trotz Klärungsversuch zwischen den Eltern, eine Einigung in einer wichtigen Fragen (z.B. über die Frage, welche Schule ein Kind besuchen soll) nicht möglich ist. Dazu muss die zu klärende Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das betroffene Kind sein, also die kindliche Entwicklung auf Dauer bestimmen und dem Kindeswohl dienlich sein. Ist das Kind bereits über 14 Jahre alt kann es diesen Antrag auch selbst stellen. Der Antrag muss sich auf eine bestimmte Angelegenheit beziehen. Es muss also ein konkreter Bezug zum Einzelfall bestehen und darf sich nicht gleich auf mehrere Gebiete beziehen. Das Gericht darf nur dann über den Antrag entscheiden, wenn die Eltern sich vorher um Einigung in dem jeweiligen Streitpunkt bemüht haben. Ist dies der Fall, erteilt das Gericht einem der beiden Elternteile die Entscheidungskompetenz in der Sache. Das Gericht darf nicht anstelle der Eltern die Entscheidung treffen. Dabei darf das Gericht aber nicht einem Elternteil beispielsweise das Sorgerecht über die gesamte schulische Ausbildung des Kindes erteilen, sondern lediglich die Schulwahl betreffend. Faktor für die Gerichtsentscheidung kann auch sein, wie das Sorgerecht derzeit aufgeteilt ist. Das OLG Dresden hat in seinem Urteil vom 31.03.2016 den Antrag einer Mutter auf Teilsorgerecht zurückgewiesen, weil der Kindesvater so schon stark in seinem Sorgerecht eingeschränkt war und durch die Wegnahme dieser Teilsorge fast keine Rechte mehr gehabt hätte. (OLG Dresden, Beschluss vom 31.3.2016 – 20 UF 165/16, NJW 2016, 3042)

17. Juli 2014 · Kommentare deaktiviert für BGH: Verbleibensanordnung oder teilweiser Entzug der Sorge? · Kategorien: Aktuelle Entscheidungen, Kinder- und Jugendhilferecht (SGB VIII), Pflegekinder, Sorgerecht, Umgangsrecht

Wenn die sorgeberechtigten Eltern eines Pflegekindes von diesen die Herausgabe verlangen, so stellt sich die Frage, ob eine Kindeswohlgefährdung auch durch eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB als ein milderes Mittel gegenüber Maßnahmen nach § 1666 BGB wie etwa dem (teilweisen) Sorgerechtsentzug abgewendet werden kann.

Diese Frage hatte der Bundesgerichtshof zu entscheiden.

Zum Sachverhalt

Es ging um ein im November 2007 geborenes Mädchen. Bereits vor der Geburt fiel die Mutter durch „bizarres und aggressives Verhalten auf“, sie wurde im Jahr 2007 insgesamt zehnmal in eine psychiatrische Einrichtung eingewiesen. Bei der Mutter wurde eine polymorphe psychotische Episode mit Symptomen einer Schizophrenie diagnostiziert, daraufhin wurde eine Betreuung eingerichtet. Der Zustand der Mutter hielt auch nach der Geburt an, sodass das Kind vom Jugendamt in Obhut genommen wurde und zuerst in eine Bereitschaftspflegefamilie, später dann in einer Vollzeitpflegestellte untergebracht wurde.

Seit August 2008 waren die Eltern des Kindes wieder ein Paar, lebten jedoch nicht zusammen. 2010 kam ein Bruder des Mädchens zur Welt und lebt seitdem bei der Mutter.
Das Jugendamt leitete im August 2009 das vorlliegende Verfahren ein und holte ein psychiatrisches Gutachten zur Frage der Erziehungsfähigkeit ein. Dabei wurde festgestellt, dass die Mutter an Schizophrenie erkrankt sei, und dass deshalb eine Kindeswohlgefährdung bis hin zur Lebensgefährdung vorliege, wenn die Mutter die elterliche Sorge ausübe. Die Prognose sei jedoch positiv, sofern keine Krankheitsschübe mehr auftreten.

Das Amtsgericht hat daraufhin der Mutter Aufenthaltsbestimmungsrecht, Gesundheitsfürsorge und das Antragsrecht auf Leistungen der Jugendhilfe entzogen und dem Jugendamt als Pfleger übertragen, Die Beschwerde beider Eltern beim Oberlandesgericht dagegen blieb erfolglos. Zwar sei die Mutter ausreichend erziehungsfähig, jedoch würde die von den Eltern geplante Rückführung eine Kindeswohlgefährdung entsprechend § 1666 BGB darstellen. Es bestehe ein Risiko, dass angesichts des Alters des Mädchens und des langen Zeitraums, den sie bei ihren Pflegeeltern verbracht hatte ein hohes Risiko für die Entwicklung einer psychischen Störung bestehe, das auch bei einem „optimalen Rückführungsszenario“ nicht ausgeschlossen sei. Die Gefährdung bestehe darin, dass, mangels entsprechender Befähigung der Eltern, eine Rückführung des Kindes ohne Schädigung nicht möglich sei. Andererseits hätten sich die Pflegeeltern emotional auf das Kind eingestellt, sodass es ihnen schwerfalle, das Kind zu den Eltern zurückzulassen. Immerhin wurde ihnen zugesagt, es handle sich um eine Dauerpflegestelle.

Eine Verbleibensanordnung als milderes Mittel lehnte das OLG als unzureichend ab.

 

Die Entscheidung des BGH

Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des OLG auf die zugelassene Rechtsbeschwerde hin aufgehoben und zurück überwiesen. Die Voraussetzungen des § 1666 BGB lägen nicht vor. Solche Maßnahmen dürften nur ergriffen werden, wenn die Kindeswohlgefährdung nicht durch mildere Mittel abgewendet werden könne.
Wenn die Eltern eines Kindes, das in einer Pflegefamilie lebt, die Rückführung beantragen, müsse der Erlass einer Verbleibensanordnung nach § 1632 Ab. 4 BGB als milderes Mittel geprüft werden. Die allgemeine Erwägung, dass die Herausnahme ein Zukunftsrisiko für das Kind darstelle dürfe nicht dazu führen, dass eine Rückführung immer dann ausgeschlossen ist, wenn das Kind seine „sozialen Eltern“ gefunden habe.

Es fehlten Ausführungen des OLG, warum der Gefährdung, die dem Kind durch die beabsichtigte Rückführung drohte nicht durch eine Verbleibensanordnung als milderes Mittel begegnet werden konnte. Die Einschätzung, dass mangels Erarbeitung eines Rückführungsszenarios eine solche auf absehbare Zeit nicht in betracht komme rechtfertige keinen teilweise Sorgerechtsentzug, da eine Verbleibensanordnung hier ebenfalls geeignet sei. Zudem lasse § 1632 Abs 4 BGB auch Anordnungen zu, deren Endpunkt noch nicht absehbar sei.

Nach dem Bundesgerichtshof hat das Oberlandesgericht auch den verfassungsrechtlichen Auftrag, auch bei einer Dauerpflegestelle eine Rückführungsperspektive offenzuhalten nicht genug berücksichtigt. Gerade bei unverschuldetem Elternversagen müsse verstärkt nach Möglichkeiten gesucht werden, um eine behutsame Rückführung zu erreichen. Hierbei habe die Gutachterin den Weg der Einbindung von Eltern und Pflegeeltern in eine Beratung und eine intensive und hochfrequente familientherapeutische Begleitung aufgezeigt.

BGH · Beschluss vom 22. Januar 2014 · Az. XII ZB 68/11,

siehe dazu auch die Besprechung von Gottschalk in ZKJ 2014, S. 234

24. September 2013 · Kommentare deaktiviert für Sorgerechtliche Maßnahmen nach § 1666 BGB bei ungeborenen Kindern? · Kategorien: Aktuelle Entwicklungen, Sorgerecht

Inwieweit bei ungeborenen Kindern, dem sog. nasciturus (ein bereits gezeugtes, aber noch ungeborenes Kind) sorgerechtliche Maßnahmen gem. § 1666 BGB möglich sind, ist seit schon seit längerem umstritten und auch die Rechtspraxis zeigt, dass bei den Gerichten in dieser Frage Unsicherheiten bestehen. Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über den aktuellen Diskussionsstand gegeben werden.

  1. Ist § 1666 BGB bei ungeborenen Kindern überhaupt anwendbar?
  2. Welche konkreten Maßnahmen könnte das Gericht aussprechen?
  3. Die sog. “Vorratsentscheidung”
  4. Fazit

Anwendbarkeit?

Die Vorschrift des § 1666 BGB spricht ausdrücklich von einem Kind und die Rechtsfähigkeit eine Menschen beginnt mit der Vollendung der Geburt (§ 1 BGB). Daher ist es mehr als naheliegend, die Anwendbarkeit des § 1666 BGB bei ungeborenen Kinder grundsätzlich abzulehnen. Soweit sich dies überblicken lässt, spricht sich die wohl inzwischen herrschende Meinung jedoch für eine prinzipielle Anwendbarkeit aus. So ist etwa die Schutzwürdigkeit des ungeborenen Kindes im § 1912 Abs. 1 dokumentiert (Pflegschaft für eine Leibesfrucht) und daher würde auch ein ungeborenes Kind in den Schutzbereich des § 1666 BGB fallen (OLG Celle, FamRZ 1987, 1751ff.; Rakete-Dombek, in: Kaiser/Schnitzler/Friederici, NK-BGB, 2. Aufl., 2010, § 1666 BGB, Rn.4). Zudem würde die Rechtsfähigkeit des Kindes zwar erst mit der Geburt beginnen und eine Anwendung des § 1666 BGB bei einem nasciturus wäre daher zwar problematisch, jedoch hat das Bundesverfassungsgericht die verfassungsrechtliche Schutzwürdigkeit des ungeborenen Lebens bejaht und vor dem Hintergrund der in § 1912 Abs. 2 BGB geregelten Rechtspositionen wäre daher vor einer Anwendbarkeit zu bejahen (Büte, in: Johannsen/Henrich/, Familienrecht, 5. Aufl., 2010, § 1666 BGB, Rn. 6). Auch wäre zwar die Grenze des möglichen Wortsinns erreicht, aber angesichts der auch in den §§ 1923 Abs. 1, 844 Abs. 2 S. 2 und dem § 218 StGB niedergelegten Rechtspositionen fiele das ungeborenen Kind in den Anwendungsbereich § 1666 BGB (Olzen, in: MüKo-BGB, 6. Aufl., 2012, § 1666 BGB, Rn. 4). Schließlich würde zwar der § 1912 Abs. 2 BGB nur von “künftigen Rechten” der Leibesfrucht sprechen, jedoch wäre diese Vorschrift im historischen Kontext zu verstehen und seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (NJW 1993, 1751 ff.) und der § 1666 BGB daher verfassungskonform auf schon bestehende Rechte des nasciturus auszudehnen (Coester, in: Staudinger-BGB, 2009, § 1666, Rn. 26).

Die Gegenansicht lehnt die Anwendung des § 1666 BGB ab, da die elterliche Sorge erst mit der Geburt des Kindes entstehen würde und Eingriffe folglich erst dann möglich wären, allerdings wäre eine sog. “Vorratsentscheidung” möglich, durch die die elterliche Sorge zum Zeitpunkt der Geburt entzogen wird (so etwa ein DIJuF-Gutachten, JAmt 2002, 248). Zudem würde es sich bei Regelungen wie dem § 1912 Abs.1 BGB um Spezialregelungen handeln, Kinder im zivilrechtlichen Sinne wären grundsätzlich nur geborene Kinder, somit würde nicht nur eine direkte, sondern auch analoge Anwendung des § 1666 BGB ausscheiden (Czerner, ZKJ 2010, 223ff., der andererseits jedoch vom einer “genuinen Anerkennung einer isoliert teleologisch begründbaren temporalen Ausdehnung der Vorschrift des § 1666 BGB gegenüber dem Nasciturus” spricht, letztlich jedoch die Schaffung eines § 1666b BGB vorschlägt). Eine vom BMJ beauftragte “Arbeitsgruppe Familiengerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls – 1666 BGB” lehnte in ihrem Abschlussbericht vom 14.7.2009 nicht nur die Anwendung des § 1666 BGB ab, sondern hält auch entsprechende Gesetzesänderungen nicht für zielführend, vielmehr wäre ein Rückgriff auf ausgeweitete Hilfsangebote der von Jugendhilfe und Gesundheitsfürsorge erfolgversprechender.

Welche Maßnahmen kommen in Betracht?

Geht man von einer zumindest prinzipiellen Anwendbarkeit des § 1666 BGB aus, stellt sich zwangsläufig die Frage, welche Art von Maßnahmen ein Gericht verhängen könnte. So darf die Anwendung des § 1666 BGB auf ein ungeborenes Kind nicht dazu führen, dass die im § 218 StGB geschützten Interessen der schwangeren Frau übergangen werden, so wäre etwa bei indizierten (d.h. gerechtfertigten) Schwangerschaftsabbrüchen (§ 218a StGB) ein auf § 1666 BGB gestütztes Abtreibungsverbot zum Schutz des ungeborenen Kindes unzulässig (Rakete-Dombek, in: Kaiser/Schnitzler/Friederici, NK-BGB, 2. Aufl., 2010, § 1666 BGB, Rn.4). Olzen weist darauf hin, dass zwar eine diesbezügliche Rechtsprechung (noch) nicht ersichtlich ist, andererseits aber gerichtliche Maßnahmen, der der Mutter während der Schwangerschaft bestimmte Verhaltensweise auferlegen, nicht grundsätzlich ausgeschlossen sind. So kann es vor dem Hintergrund des § 1666 BGB sicher nicht um eine “optimale Schwangerschaft” gehen, sondern eher darum, Gefährdungen für die Entwicklung des Kindes abzuwenden, wie dies etwa bei Drogenkonsum, Alkoholmissbrauch (Alkoholembryopathie) oder bestimmten gefährlichen Sportarten der Fall sein kann, soweit sich die Gefahr von Schädigungen oder Fehlgeburten drastisch vergrößert. Allerdings ist sehr zweifelhaft, dass die Gerichte ein Rauchverbot für Frauen während der Schwangerschaft aussprechen, da die Rechtsprechung bereits ein Rauchverbot bei einem schon geborenen Kind ablehnt (Olzen, in: MüKo-BGB, 6. Aufl., 2012, § 1666 BGB, Rn. 41). Somit bleibt eine bloße Schädigung anders als im Fall einer Abtreibung (vgl. §§ 218ff. StGB) mangels ausreichender Regelung in das Ermessen der Mutter gestellt (Coester, FPR 2009, 551).

Bei Schwangerschaftsabbrüchen ist der Kinderschutz eingeschränkt, soweit erstere nach § 218a StGB der Letztentscheidung der Frau überlassen sind, andererseits besteht kein Grund für die Einschränkung flankierender Maßnahmen durch die Familiengerichte, soweit das Strafrecht den Lebensschutz über die Entscheidungsfreiheit der Frau stellt (Coester/Staudinger, 2009, § 1666, Rn. 31-33).

Die sog. Vorratsentscheidung

Wie oben schon angedeutet, wird sowohl in der rechtswissenschaftlichen Diskussion, als auch in der Rechtsprechung teilweise mit der sog. “Vorratsentscheidung” gearbeitet. Dies geht offensichtlich auf einige Entscheidungen zurück, die schon in den Achtziger Jahren ergangen sind. So hat etwa das LG Berlin damals entschieden, dass bei einer drogensüchtigen Mutter aus lang andauernden und wiederholten Versagen auch die Besorgnis zukünftigen Versagens abgeleitet werden könne (ZfJ 1980, 188). Das KG Berlin hielt bei einem Elternpaar, das wegen Mordtaten an anderen Kindern verurteilt wurde, einen Sorgerechtsentzug unmittelbar nach der Geburt für möglich, ohne dass ein Versagen der Eltern in Bezug auf dieses (noch ungeborene) Kind erforderlich wäre (FamRZ 1981, 590). Das DIJuF scheint u.a. aufbauend auf diese beiden Entscheidungen den Begriff “Vorratsentscheidung” in die Diskussion eingeführt zu haben, wonach angesichts der persönlichen Verhältnisse der Eltern (Mord an anderen Kindern, beabsichtigte Betreuung in einer JVA, notwendige Fremdunterbringung der übrigen Kinder) eine Gefährdung des zu noch zu erwartenden Kindes zu erwarten ist, ohne dass dies durch den Nachweis einer konkreten Vernachlässigung zu begründen wäre (JAmt 2002, 249). Dementsprechend wäre es erst recht zulässig, vor Geburt lediglich einen Erörterungstermin durchzuführen, in dem etwa ein unmittelbar nach der Geburt drohender Sorgerechtsentzug thematisiert wird, was die schwangere Mutter möglicherweise dazu motivieren könnte, sich noch vor der Geburt auf Hilfemaßnahmen einzulassen (DIJuF-Gutachten, JAmt 2008, 250). Ohne sich explizit darauf zu beziehen, hat das Familiengericht Tempelhof-Kreuzberg wohl auf diesen Überlegungen aufbauend eine schwangeren Frau mit bereits 4 außerhalb des Haushalts lebenden Kindern aufgrund ihrer Alkoholsucht und “Defizite im lebenspraktischen Bereich” (unkooperatives bis aggressives Verhalten gegenüber dem Jugendamt, keine Vorsorgeuntersuchungen) das Sorgerecht entzogen und einem Amtsvormund übertragen (27.5.2008, Az.: 143 F 6909/08, n.v.). Selbst wenn man in Extremfällen von der Zulässigkeit einer “Vorratsentscheidung” ausgeht, dürfte diese Entscheidung wohl nicht unproblematisch sein, da es sich hier einerseits nicht um ein Ehepaar handelt, die nachweisbar bereits andere Kinder ermordet haben und in sich in Haft befinden (wie etwa der obige Fall des LG Berlin), andererseits flankierende Maßnahmen offensichtlich nicht einmal in Erwägung gezogen wurden. Ein Sorgerechtsentzug ist immer das “schärfste Schwert” des § 1666 BGB und in diesem Fall dürfte der Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Elternrecht aus Art. 6 GG wohl nur noch schwer zu rechtfertigen sein.

Fazit

Die Anwendung des § 1666 BGB auf ein ungeborenes Kind kann entgegen dem Wortlaut des § 1666 BGB mit guten verfassungsrechtlichen und rechtssystematischen Argumenten vertreten werden (wie dies die h.M. ja auch tut). Allerdings sollte man mit sog. “Vorratsentscheidungen” äußerst behutsam umgehen und nie die notwendige Abwägung mit dem Elternrecht aus dem Auge verlieren. Aus diesem Grund sind – soweit ersichtlich – auch so gut wie keine Gerichtsentscheidungen bekannt, wonach bei noch ungeborenen Kindern sofort zu der einschneidendsten Maßnahme des § 1666 BGB – nämlich der Sorgerechtsentzug – gegriffen wurde. Naheliegender ist es hier, von Seiten des Familiengerichts flankierenden Maßnahmen zu prüfen, insbesondere die Inanspruchnahme öffentlicher Angebote von Jugendhilfe und Gesundheitsfürsorge anzuordnen (§ 1666 Abs. 3 Nr. 1 BGB). Auch sollte – wie dies im Abschlussbericht der BMJ-Arbeitsgruppe geschehen ist – genau zwischen zwei Fallgruppen unterschieden werden, je nachdem es sich um eine bereits während der Schwangerschaft erkennbare Gefährdung des Kindes nach der Geburt oder eine Gefährdung des ungeborenen Kindes während der Schwangerschaft handelt.

Sollten Sie diesbezüglich Bedarf an einer Rechtsberatung oder gerichtlichen Vertretung haben, stehe ich Ihnen hierfür gerne zur Verfügung.

 

 

 

 

 

16. Mai 2013 · Kommentare deaktiviert für Neues Sorgerecht tritt am 19.05.2013 in Kraft – mehr Rechte für ledige Väter · Kategorien: Aktuelle Entwicklungen, Sorgerecht

Es ist also geschafft – wie das Bundesjustizministerium in einer Pressemitteilung wissen lässt, tritt die gesetzliche Neuregelung des Sorgerechts, das vor allem entscheidende Verbesserungen für unverheiratete Väter bringt, schon am 19.05.2013 in Kraft. Nach den historischen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Ende 2009, des Bundesverfassungsgerichts Sommer 2010 ist nach der “Interimslösung” des BVerfG hat das neue Sorgerecht nun auch eine gesetzliche Grundlage erhalten. Zu den Einzelheiten der gesetzlichen Neuregelung können Sie sich hier informieren.

Sollten Sie diesbezüglich Bedarf an einer Rechtsberatung oder gerichtlichen Vertretung haben, stehe ich Ihnen hierfür gerne zur Verfügung.

14. Februar 2013 · Kommentare deaktiviert für Bundestag verabschiedet Neuregelung des Sorgerechts für unverheiratete Väter · Kategorien: Aktuelle Entwicklungen, Sorgerecht

Nach langen Beratungen und mehreren Gesetzesentwürfen ist es nun soweit: am 31. Januar hat der Bundestag mit Stimmen von Union, FDP und Grünen eine gesetzliche Neuregelung beschlossen, die die Rechte unverheirateter Väter in der Frage des Sorgerechts stärkt. Der Bundestag stimmte dem Gesetzentwurf der Bundesregierung in einer vom Rechtsausschuss leicht veränderten Fassung zu. Der Bundesrat kann diese Gesetzesänderung nun bestenfalls noch verzögern, aber nicht mehr verhindern und sie wird somit voraussichtlich im Sommer in Kraft treten. Bis dahin gilt noch die Interimslösung des Bundesverfassungsgerichts, die bekanntermaßen unverheirateten Vätern die Möglichkeit gibt, auch gegen den Willen der Kindesmutter durch eine Anordnung des Familiengerichts zum Sorgerecht zu gelangen, soweit dies dem Kindeswohl entspricht. Weiterlesen »