Der Familienname eines Pflegekinds kann in den Namen der Pflegeeltern geändert werden, wenn dies dem Wohl des Pflegekindes förderlich ist. Das wird insbesondere bei langjährigen Dauerpflegefamilien oft der Fall sein. Dies ergab ein Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz, welches sich damit auf der Linie des Bundesverwaltungsgerichts bewegt.

Der Fall:

Das 10-Jährige Kind lebte schon seit seiner Geburt bei den Pflegeeltern. Auf Wunsch des Kindes und im Einverständnis mit den Pflegeeltern gab die zuständige Verbandsgemeinde dem Antrag auf Änderung des Familiennamens des Kindes in den der Pflegeeltern statt. Dagegen klagte der leibliche Vater des Kindes. Er meinte, dass damit die Interessen der leiblichen Eltern unnötig zurückgesetzt würden. Eine Namensänderung sei nicht notwendig, um seinem Kind Sicherheit zu vermitteln; sie schade vielmehr der Bindung zwischen den leiblichen Eltern und dem Kind. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab.

 

Ein wichtiger Grund für eine Namensänderung liegt vor, wenn die Abwägung aller Umstände ein Übergewicht der für die Änderung sprechenden Belange ergebibt. Bei Dauerpflegefamilien reicht es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht aus, dass die begehrte Namensänderung dem Wohl des Pflegekindes förderlich ist und überwiegende Interessen an der Beibehaltung des bisherigen Namens nicht entgegenstehen. Hier gab es einerseits eine sehr enge Bindung zu den Pflegeeltern, die weiter stabilisiert werden sollte. Zudem hatte das Kind auch bisher schon einen anderen Namen als den des Vaters.

 

(Verwaltungsgericht Mainz, Urteil vom 24. April 2015, 4 K 464/14.MZ)

17. Juli 2014 · Kommentare deaktiviert für BGH: Verbleibensanordnung oder teilweiser Entzug der Sorge? · Kategorien: Aktuelle Entscheidungen, Kinder- und Jugendhilferecht (SGB VIII), Pflegekinder, Sorgerecht, Umgangsrecht

Wenn die sorgeberechtigten Eltern eines Pflegekindes von diesen die Herausgabe verlangen, so stellt sich die Frage, ob eine Kindeswohlgefährdung auch durch eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB als ein milderes Mittel gegenüber Maßnahmen nach § 1666 BGB wie etwa dem (teilweisen) Sorgerechtsentzug abgewendet werden kann.

Diese Frage hatte der Bundesgerichtshof zu entscheiden.

Zum Sachverhalt

Es ging um ein im November 2007 geborenes Mädchen. Bereits vor der Geburt fiel die Mutter durch „bizarres und aggressives Verhalten auf“, sie wurde im Jahr 2007 insgesamt zehnmal in eine psychiatrische Einrichtung eingewiesen. Bei der Mutter wurde eine polymorphe psychotische Episode mit Symptomen einer Schizophrenie diagnostiziert, daraufhin wurde eine Betreuung eingerichtet. Der Zustand der Mutter hielt auch nach der Geburt an, sodass das Kind vom Jugendamt in Obhut genommen wurde und zuerst in eine Bereitschaftspflegefamilie, später dann in einer Vollzeitpflegestellte untergebracht wurde.

Seit August 2008 waren die Eltern des Kindes wieder ein Paar, lebten jedoch nicht zusammen. 2010 kam ein Bruder des Mädchens zur Welt und lebt seitdem bei der Mutter.
Das Jugendamt leitete im August 2009 das vorlliegende Verfahren ein und holte ein psychiatrisches Gutachten zur Frage der Erziehungsfähigkeit ein. Dabei wurde festgestellt, dass die Mutter an Schizophrenie erkrankt sei, und dass deshalb eine Kindeswohlgefährdung bis hin zur Lebensgefährdung vorliege, wenn die Mutter die elterliche Sorge ausübe. Die Prognose sei jedoch positiv, sofern keine Krankheitsschübe mehr auftreten.

Das Amtsgericht hat daraufhin der Mutter Aufenthaltsbestimmungsrecht, Gesundheitsfürsorge und das Antragsrecht auf Leistungen der Jugendhilfe entzogen und dem Jugendamt als Pfleger übertragen, Die Beschwerde beider Eltern beim Oberlandesgericht dagegen blieb erfolglos. Zwar sei die Mutter ausreichend erziehungsfähig, jedoch würde die von den Eltern geplante Rückführung eine Kindeswohlgefährdung entsprechend § 1666 BGB darstellen. Es bestehe ein Risiko, dass angesichts des Alters des Mädchens und des langen Zeitraums, den sie bei ihren Pflegeeltern verbracht hatte ein hohes Risiko für die Entwicklung einer psychischen Störung bestehe, das auch bei einem „optimalen Rückführungsszenario“ nicht ausgeschlossen sei. Die Gefährdung bestehe darin, dass, mangels entsprechender Befähigung der Eltern, eine Rückführung des Kindes ohne Schädigung nicht möglich sei. Andererseits hätten sich die Pflegeeltern emotional auf das Kind eingestellt, sodass es ihnen schwerfalle, das Kind zu den Eltern zurückzulassen. Immerhin wurde ihnen zugesagt, es handle sich um eine Dauerpflegestelle.

Eine Verbleibensanordnung als milderes Mittel lehnte das OLG als unzureichend ab.

 

Die Entscheidung des BGH

Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des OLG auf die zugelassene Rechtsbeschwerde hin aufgehoben und zurück überwiesen. Die Voraussetzungen des § 1666 BGB lägen nicht vor. Solche Maßnahmen dürften nur ergriffen werden, wenn die Kindeswohlgefährdung nicht durch mildere Mittel abgewendet werden könne.
Wenn die Eltern eines Kindes, das in einer Pflegefamilie lebt, die Rückführung beantragen, müsse der Erlass einer Verbleibensanordnung nach § 1632 Ab. 4 BGB als milderes Mittel geprüft werden. Die allgemeine Erwägung, dass die Herausnahme ein Zukunftsrisiko für das Kind darstelle dürfe nicht dazu führen, dass eine Rückführung immer dann ausgeschlossen ist, wenn das Kind seine „sozialen Eltern“ gefunden habe.

Es fehlten Ausführungen des OLG, warum der Gefährdung, die dem Kind durch die beabsichtigte Rückführung drohte nicht durch eine Verbleibensanordnung als milderes Mittel begegnet werden konnte. Die Einschätzung, dass mangels Erarbeitung eines Rückführungsszenarios eine solche auf absehbare Zeit nicht in betracht komme rechtfertige keinen teilweise Sorgerechtsentzug, da eine Verbleibensanordnung hier ebenfalls geeignet sei. Zudem lasse § 1632 Abs 4 BGB auch Anordnungen zu, deren Endpunkt noch nicht absehbar sei.

Nach dem Bundesgerichtshof hat das Oberlandesgericht auch den verfassungsrechtlichen Auftrag, auch bei einer Dauerpflegestelle eine Rückführungsperspektive offenzuhalten nicht genug berücksichtigt. Gerade bei unverschuldetem Elternversagen müsse verstärkt nach Möglichkeiten gesucht werden, um eine behutsame Rückführung zu erreichen. Hierbei habe die Gutachterin den Weg der Einbindung von Eltern und Pflegeeltern in eine Beratung und eine intensive und hochfrequente familientherapeutische Begleitung aufgezeigt.

BGH · Beschluss vom 22. Januar 2014 · Az. XII ZB 68/11,

siehe dazu auch die Besprechung von Gottschalk in ZKJ 2014, S. 234

28. November 2013 · Kommentare deaktiviert für BVerwG: “Steuerungsverantwortung” des öffentlichen Jugendhilfeträgers – Reichweite bis jetzt hinreichend geklärt · Kategorien: Aktuelle Entscheidungen, Jugendhilfe- und Kindschaftsrecht, Kinder- und Jugendhilferecht (SGB VIII)

Das Bundesverwaltungsgericht hat Ende letzten Jahres im Zusammenhang mit der Steuerungsverantwortung des öffentlichen Jugendhilfeträgers nach § 36a SGB VIII festgehalten, dass dieser Vorschrift der Gedanke zugrunde liegt, dass der gesetzliche Auftrag der Jugendhilfeträger nicht der einer “Zahlstelle”, sondern der eines Leistungsträgers sei. Wurde eine begehrte Hilfe aus fachlich vertretbaren Gründen abgelehnt, besteht weder ein Anspruch des Betroffenen noch ein Ersatz auf Aufwendungen für selbst beschaffte Hilfen.(18.12.2012, Az.: 5 C 21.11). In einer aktuellen Entscheidung  hat das BVerwG nicht nur an diesem Grundsatz festgehalten, sondern sieht zumindest bis jetzt offensichtlich auch keinen Präzisierungsbedarf, was die Reichweite der Steuerungsverantwortung betrifft (8.10.2013, Az.: 5 B 58.13).

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28. November 2013 · Kommentare deaktiviert für BSG: Beschulung eines behinderten Kindes – Sozialhilfeträger an Schulamtsentscheidung über Schulart gebunden · Kategorien: Aktuelle Entscheidungen, Eingliederungshilfen - SGB XII, Sozial- und Teilhaberecht, Teilhabe von Behinderten - SGB IX

In einer aktuellen Entscheidung hat das Bundessozialgericht klargestellt, dass Sozialhilfeträger bei Maßnahmen zur Eingliederungshilfe nach dem SGB XII (und SGB IX) für geistig behinderte Kinder an Entscheidungen der Schulverwaltung gebunden sind, welche Schulbildung im Einzelfall angemessen ist. Hinsichtlich der Kostenfrage kommt das Prinzip der Nachrangigkeit der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII) solange nicht zur Anwendung, solange die Schulverwaltung an ihrer Entscheidung festhält (23.8.2013, Az.: B 8 SO 10/12 R).

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22. November 2013 · Kommentare deaktiviert für BGH: Anfechtung der Vaterschaft auch durch den Samenspender · Kategorien: Adoption, Aktuelle Entscheidungen, Vaterschaft

Der BGH hat vor einigen Monaten in einer Entscheidung klargestellt, dass sich sich das Recht auf Vaterschaftsanfechtung für biologische Väter auch auf die Samenspender erstreckt (15.5.2013, Az.: XII ZR 49/11). Da der Wortlaut des § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB eine eidesstattliche Versicherung voraussetzt, der Mutter während der Empfängniszeit “beigewohnt” zu haben, ist in der Kommentierung zum Teil auf den Ausschluss eines Samenspenders geschlossen worden (vgl. Hahn/BeckOK, § 1600 BGB, Rn. 3, Stand: 1.5.2013). Nun ist also höchstrichterlich entschieden, dass nach verfassungskonformer Auslegung des § 1600 BGB dieser Ausschluss nur dann gilt, wenn der Zeugung eine auf die (ausschließliche) Vaterschaft eines Dritten als Wunschvater gerichtete Vereinbarung (sog. konsentierte heterologe Insemination) vorausgegangen ist.

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