09. Mai 2023 · Kommentare deaktiviert für Datenschutz im Sozialrecht · Kategorien: Aktuelle Entwicklungen, Aktuelles, Kinder- und Jugendhilferecht (SGB VIII)

Grundsätzlich hat gemäß § 35 Absatz 1 SGB I jeder Anspruch darauf, dass die die jeweilige Person betreffenden Sozialdaten von Leistungsträgern nicht unbefugt verarbeitet werden dürfen. Dieser Grundsatz wird auch Sozialgeheimnis genannt. Es gilt als besonderes Amtsgeheimnis und ist gleichzusetzen mit der ärztlichen Schweigepflicht. Es gibt jedoch davon gewisse Ausnahmen. Entweder wenn ein anderes Gesetz die Weitergabe der Daten klar erlaubt oder der Betroffene freiwillig einwilligt. Das achte Sozialgesetzbuch regelt die Kinder – und Jugendhilfe. Danach dürfen gewisse Daten unter sehr strengen und engen Voraussetzungen weitergegeben werden. Besteht beispielsweise der dringende Verdacht einer Kindesmisshandlung darf das zuständige Jugendamt beim Gericht ein Kinderschutzverfahren einleiten. Auch haben beispielsweise am Verfahren beteiligte Personen gemäß § 25 SGB X das Recht die Akten des Verfahrens zu sehen. Ein Problem ist derzeit jedoch, dass behandelnde Ärzte und Psychologen etc. sich untereinander nicht ohne Einverständnis der Eltern über einen Patienten unterhalten dürfen. Dies könnte jedoch vor allem in Fällen häuslicher Gewalt von Vorteil sein. In Nordrhein-Westfalen gibt es bereits einen Artikel dazu im Landeskinderschutzgesetz. Dieser besagt, dass bei gewichtigen Anhaltspunkten einer Kindeswohlgefährdung das Jugendamt auch ohne Absprache mit den Betroffenen informiert werden darf. Auch Bundesweit gibt es bereits Entwürfe für ein Gesetz, welches es erlaubt in Fällen des Verdachts auf physische oder psychische Gewalt an Minderjährigen einen interkollegialen Austausch zu erlauben.

09. Mai 2023 · Kommentare deaktiviert für Bestellung eines Anwalts im Verfahren durch einen Jugendlichen trotz Verfahrensbeistand · Kategorien: Aktuelle Entwicklungen, Kinder- und Jugendhilferecht (SGB VIII)

Normalerweise wird einem beteiligten Kind im Verfahren ein Verfahrensbeistand zugeordnet, der die Rechte des Kindes vertreten soll. Nach § 9 Absatz 1 Nummer 3 FamFG sind Jugendliche ab 14 Jahren grundsätzlich fähig Verfahrensbeteiligte zu sein, wenn das Verfahren auch ihre Person und ihre Rechte betrifft. Ist der Jugendliche dann im Verfahren nicht zufrieden mit dem Verfahrensbeistand kann er sich gemäß § 158 Absatz 5 FamFG einen eigenen Anwalt bestellen und den Verfahrensbeistand ablehnen. Das hat den Grund, dass Verfahrensbeistand und Anwalt unterschiedliche Aufgaben haben. Ein Verfahrensbeistand soll stets das objektive Wohl des Kindes und gleichzeitig seine Interessen vertreten. Dieses kann jedoch auch konträr zum Willen des Kindes oder Jugendlichen stehen. Eine anwaltliche Vertretung hingegen vertritt im Verfahren immer nur die Interessen des Jugendlichen. Grundsätzlich kann ein Jugendlicher ab 14 Jahren also einen eigenen Anwalt mandatieren und auch einen Verfahrenskostenhilfeantrag stellen. Eine Ausnahme gibt es in Kindschutzverfahren gemäß § 1666 BGB. Durch das Kindschutzverfahren übt das Gericht sein staatliches Wächteramt aus, also seine Aufgabe Kinder vor Bedrohungen zu schützen. Das Kind oder der Jugendliche hat dann einen Anspruch auf Schutz durch den Staat, aber keinen Anspruch eigene Rechte durchzusetzen, da eine familiengerichtliche Entscheidung dann auch gegen seinen Wunsch und Willen getroffen werden kann. Es kann also in einem Kindschutzverfahren keine Verfahrenskostenhilfe für eine eigene anwaltliche Vertretung geltend machen (OLG München, 26 UF 285/19; BGH XII ZB 34/21).

17. Juli 2014 · Kommentare deaktiviert für BGH: Verbleibensanordnung oder teilweiser Entzug der Sorge? · Kategorien: Aktuelle Entscheidungen, Kinder- und Jugendhilferecht (SGB VIII), Pflegekinder, Sorgerecht, Umgangsrecht

Wenn die sorgeberechtigten Eltern eines Pflegekindes von diesen die Herausgabe verlangen, so stellt sich die Frage, ob eine Kindeswohlgefährdung auch durch eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB als ein milderes Mittel gegenüber Maßnahmen nach § 1666 BGB wie etwa dem (teilweisen) Sorgerechtsentzug abgewendet werden kann.

Diese Frage hatte der Bundesgerichtshof zu entscheiden.

Zum Sachverhalt

Es ging um ein im November 2007 geborenes Mädchen. Bereits vor der Geburt fiel die Mutter durch „bizarres und aggressives Verhalten auf“, sie wurde im Jahr 2007 insgesamt zehnmal in eine psychiatrische Einrichtung eingewiesen. Bei der Mutter wurde eine polymorphe psychotische Episode mit Symptomen einer Schizophrenie diagnostiziert, daraufhin wurde eine Betreuung eingerichtet. Der Zustand der Mutter hielt auch nach der Geburt an, sodass das Kind vom Jugendamt in Obhut genommen wurde und zuerst in eine Bereitschaftspflegefamilie, später dann in einer Vollzeitpflegestellte untergebracht wurde.

Seit August 2008 waren die Eltern des Kindes wieder ein Paar, lebten jedoch nicht zusammen. 2010 kam ein Bruder des Mädchens zur Welt und lebt seitdem bei der Mutter.
Das Jugendamt leitete im August 2009 das vorlliegende Verfahren ein und holte ein psychiatrisches Gutachten zur Frage der Erziehungsfähigkeit ein. Dabei wurde festgestellt, dass die Mutter an Schizophrenie erkrankt sei, und dass deshalb eine Kindeswohlgefährdung bis hin zur Lebensgefährdung vorliege, wenn die Mutter die elterliche Sorge ausübe. Die Prognose sei jedoch positiv, sofern keine Krankheitsschübe mehr auftreten.

Das Amtsgericht hat daraufhin der Mutter Aufenthaltsbestimmungsrecht, Gesundheitsfürsorge und das Antragsrecht auf Leistungen der Jugendhilfe entzogen und dem Jugendamt als Pfleger übertragen, Die Beschwerde beider Eltern beim Oberlandesgericht dagegen blieb erfolglos. Zwar sei die Mutter ausreichend erziehungsfähig, jedoch würde die von den Eltern geplante Rückführung eine Kindeswohlgefährdung entsprechend § 1666 BGB darstellen. Es bestehe ein Risiko, dass angesichts des Alters des Mädchens und des langen Zeitraums, den sie bei ihren Pflegeeltern verbracht hatte ein hohes Risiko für die Entwicklung einer psychischen Störung bestehe, das auch bei einem „optimalen Rückführungsszenario“ nicht ausgeschlossen sei. Die Gefährdung bestehe darin, dass, mangels entsprechender Befähigung der Eltern, eine Rückführung des Kindes ohne Schädigung nicht möglich sei. Andererseits hätten sich die Pflegeeltern emotional auf das Kind eingestellt, sodass es ihnen schwerfalle, das Kind zu den Eltern zurückzulassen. Immerhin wurde ihnen zugesagt, es handle sich um eine Dauerpflegestelle.

Eine Verbleibensanordnung als milderes Mittel lehnte das OLG als unzureichend ab.

 

Die Entscheidung des BGH

Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des OLG auf die zugelassene Rechtsbeschwerde hin aufgehoben und zurück überwiesen. Die Voraussetzungen des § 1666 BGB lägen nicht vor. Solche Maßnahmen dürften nur ergriffen werden, wenn die Kindeswohlgefährdung nicht durch mildere Mittel abgewendet werden könne.
Wenn die Eltern eines Kindes, das in einer Pflegefamilie lebt, die Rückführung beantragen, müsse der Erlass einer Verbleibensanordnung nach § 1632 Ab. 4 BGB als milderes Mittel geprüft werden. Die allgemeine Erwägung, dass die Herausnahme ein Zukunftsrisiko für das Kind darstelle dürfe nicht dazu führen, dass eine Rückführung immer dann ausgeschlossen ist, wenn das Kind seine „sozialen Eltern“ gefunden habe.

Es fehlten Ausführungen des OLG, warum der Gefährdung, die dem Kind durch die beabsichtigte Rückführung drohte nicht durch eine Verbleibensanordnung als milderes Mittel begegnet werden konnte. Die Einschätzung, dass mangels Erarbeitung eines Rückführungsszenarios eine solche auf absehbare Zeit nicht in betracht komme rechtfertige keinen teilweise Sorgerechtsentzug, da eine Verbleibensanordnung hier ebenfalls geeignet sei. Zudem lasse § 1632 Abs 4 BGB auch Anordnungen zu, deren Endpunkt noch nicht absehbar sei.

Nach dem Bundesgerichtshof hat das Oberlandesgericht auch den verfassungsrechtlichen Auftrag, auch bei einer Dauerpflegestelle eine Rückführungsperspektive offenzuhalten nicht genug berücksichtigt. Gerade bei unverschuldetem Elternversagen müsse verstärkt nach Möglichkeiten gesucht werden, um eine behutsame Rückführung zu erreichen. Hierbei habe die Gutachterin den Weg der Einbindung von Eltern und Pflegeeltern in eine Beratung und eine intensive und hochfrequente familientherapeutische Begleitung aufgezeigt.

BGH · Beschluss vom 22. Januar 2014 · Az. XII ZB 68/11,

siehe dazu auch die Besprechung von Gottschalk in ZKJ 2014, S. 234

28. November 2013 · Kommentare deaktiviert für BVerwG: “Steuerungsverantwortung” des öffentlichen Jugendhilfeträgers – Reichweite bis jetzt hinreichend geklärt · Kategorien: Aktuelle Entscheidungen, Jugendhilfe- und Kindschaftsrecht, Kinder- und Jugendhilferecht (SGB VIII)

Das Bundesverwaltungsgericht hat Ende letzten Jahres im Zusammenhang mit der Steuerungsverantwortung des öffentlichen Jugendhilfeträgers nach § 36a SGB VIII festgehalten, dass dieser Vorschrift der Gedanke zugrunde liegt, dass der gesetzliche Auftrag der Jugendhilfeträger nicht der einer “Zahlstelle”, sondern der eines Leistungsträgers sei. Wurde eine begehrte Hilfe aus fachlich vertretbaren Gründen abgelehnt, besteht weder ein Anspruch des Betroffenen noch ein Ersatz auf Aufwendungen für selbst beschaffte Hilfen.(18.12.2012, Az.: 5 C 21.11). In einer aktuellen Entscheidung  hat das BVerwG nicht nur an diesem Grundsatz festgehalten, sondern sieht zumindest bis jetzt offensichtlich auch keinen Präzisierungsbedarf, was die Reichweite der Steuerungsverantwortung betrifft (8.10.2013, Az.: 5 B 58.13).

Weiterlesen »

08. Oktober 2013 · Kommentare deaktiviert für Notwendige Prothese für ein Pflegekind – wer übernimmt die Kosten? · Kategorien: Eingliederungshilfen - SGB XII, Kinder- und Jugendhilferecht (SGB VIII), Pflegekinder, Sozial- und Teilhaberecht

Im Alltag einer Pflegefamilie kann sich schnell das Problem stellen, dass für ein Pflegekind dringend eine Prothese (oder ein sonstiges notwendiges Hilfsmittel) medizinisch verordnet und beschafft wird, sich die Krankenkasse aber weigert, die Kosten zu übernehmen und das Jugendamt seinerseits auf die Krankenkasse verweist. Rechtlich werden hier gleich mehrere Teilgebiete des Sozialrechts relevant (SGB V, SGB VIII, SGB IX und ggf. das SGB XII). Weiterlesen »