10. Mai 2011 · Kommentare deaktiviert für Die UN-Behindertenrechtskonvention und die Stellung von behinderten Kindern und Jugendlichen nach dem SGB VIII oder SGB XII · Kategorien: Aktuelle Entwicklungen, Kinder- und Jugendhilferecht (SGB VIII)

Seit dem 26.03.2009 ist die UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland geltendes Recht. An dieser Stelle soll eine kurze Darstellung erfolgen, vor allem im Hinblick auf die Regelungen des SGB VIII und des SGB XII (die Darstellung basiert auf dem Artikel von Banafsche in der ZKJ 4/2011, S. 116-122).

Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen – die UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) – ist am 26.03.2009 als einfaches Bundesgesetz in Kraft getreten.

Im Hinblick auf die Stellung von behinderten Kindern und Jugendlichen ergebe sich im Vergleich zum deutschen Sozialrecht einige erwähnenswerte Unterschiede. So trifft das deutsche Sozialrecht eine grundlegende Unterscheidung zwischen geistigen/körperlichen Behinderungen einerseits und der seelischen Behinderung andererseits. Für geistige/körperliche Behinderungen sehen die § 53ff. SGB XII entsprechende Eingliederungshilfen vor, für die seelische Behinderung wiederum der § 35a SGB VIII.

Oft gibt es Konstellationen, in denen Mehrfachbehinderungen vorliegen oder sich im Laufe der Zeit entwickeln, wenn es etwa infolge von körperlichen und/oder geistigen Entwicklungen zu psychischen Beeinträchtigungen kommt, die das Ausmaß einer seelischen Beeinträchtigung erreichen. In solchen Fällen kommt es zu einer Mehrfachzuständigkeit, für Eingliederungshilfen aufgrund von geistiger oder körperlicher Behinderung sind die Sozialhilfeträger zuständig, für die seelische Behinderung die Jugendhilfeträger. In Fällen konkurriender Sozialhilfeleistungen gehen gem. § 10IV S.1 SGB VIII Leistungen nach dem SGB VIII denen nach dem SGB XII vor, gem. § 10IV S.2 SGB VIII gilt dies jedoch nicht für geistige/körperliche Behinderungen.

Im Kontrast hierzu steht der Art. 1 II S.2 UN-BRK, der Behinderungen als langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen definiert, welche die Betroffenen in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können. Dieser Behindertenbegriff ist vor dem Hintergrund der Päambel lit. e auch offen für Weiterentwicklungen. Bemerkenswert ist aber vor allem, dass sich an keiner Stelle der Konvention eine Differenzierung zwischen geistiger/körperlicher und seelischer Behinderung finden lässt. Die im deutschen Sozialrecht vorgenommene “Segregation” ist nicht nur nach dem Maßstab der UN-Konvention durchaus zweifelhaft, da die unterschiedliche rechtliche Einordnung von Kindern und Jugendlichen nach der jeweiligen Art der Behinderung dem Wohl der Betroffenen nicht unbedingt dienlich sein dürfte.

Im Lichte der UN-Konvention dürfte es langfristig naheliegend sein, die nach aktuell geltendem Recht statuierte “duale Eingliederungshilfe”, die in Einzelfällen zu problematischen Konstellationen im Leistungs- und Leistungserbringungsrecht führt, aufzugeben und ein einheitlich geltendes Recht zu schaffen, das dort normiert ist, wo es auf die besonderen Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen zugeschnitten ist, nämlich im SGB VIII.

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