28. November 2013 · Kommentare deaktiviert für BSG: Beschulung eines behinderten Kindes – Sozialhilfeträger an Schulamtsentscheidung über Schulart gebunden · Kategorien: Aktuelle Entscheidungen, Eingliederungshilfen - SGB XII, Sozial- und Teilhaberecht, Teilhabe von Behinderten - SGB IX

In einer aktuellen Entscheidung hat das Bundessozialgericht klargestellt, dass Sozialhilfeträger bei Maßnahmen zur Eingliederungshilfe nach dem SGB XII (und SGB IX) für geistig behinderte Kinder an Entscheidungen der Schulverwaltung gebunden sind, welche Schulbildung im Einzelfall angemessen ist. Hinsichtlich der Kostenfrage kommt das Prinzip der Nachrangigkeit der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII) solange nicht zur Anwendung, solange die Schulverwaltung an ihrer Entscheidung festhält (23.8.2013, Az.: B 8 SO 10/12 R).

In den Verfahren vor den beiden Vorinstanzen (SG Freiburg, LSG Baden-Württemberg) war über die Übernahme von Kosten für eine sog. systemische Bewegungstherapie als Eingliederungsmaßnahme für ein körperlich und geistig behindertes Kind zu entscheiden. Der Sozialhilfeträger übernahm ursprünglich die Kosten, machte diese jedoch von den Einkommens- und Vernögensverhältnissen der Eltern abhängig, als das Kind mit Zustimmung des Schulamtes in einer Waldorfschule aufgenommen wurde. Nachdem die Eltern keine Angaben zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen gemacht haben, verweigerte der Sozialhilfeträger die Kostenübernahme wegen fehlender Mitwirkung. Sowohl das erstinstanzlich befasste SG Freiburg als auch das LSG Baden-Württemberg gaben der Klage auf Kostenübernahme statt, da neben den durch die Waldorfschule geleisteten Integrationshilfen ein zusätzlicher Bedarf für entsprechende heilpädagogische Maßnahmen bestünde, um Auffälligkeiten des Kindes im Sozialverhalten, die auf einer Überreizung im Schulalltag beruhen können, entgegenwirken zu können. Nach Ansicht der Sozialhilfeträgers wäre hier der § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII  verletzt worden, da das LSG verkannt hätte, dass eine “Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung” im Rahmen der Eingliederungshilfe nur für den Besuch der allgemeinen Schule in Betracht komme, darunter sei die Grundschule und eine darauf aufbauende Schule zu verstehen, nicht aber eine Sonderschule. Mit einer solchen sei die von dem Kind besuchte Freie Waldorfschule im Sinne einer Grundschule für geistig Behinderte gleichzusetzen, weil dieses aufgrund seiner Behinderung nicht in der Lage gewesen sei, dem gemeinsamen Bildungsgang in einer allgemeinen Schule zu folgen. In dieser Verkennung läge zudem ein Missachtung des Nachrangs der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII). Zudem hätte das LSG auch die Entscheidung des Schulaufsichtsbehörde hinsichtlich ihrer Richtigkeit prüfen müssen, da der Besuch der Freien Waldorfschule keine angemessene Schulbildung sei.

Dieser Argumentation ist das Bundessozialgericht in der Revision mit dem (wohl auf der Hand liegenden) Hinweis entgegengetreten, dass dies im Ergebnis indirekt zu einer unzulässigen Prüfung der Einscheidung der Schulbehörde über die Erfüllung der Schulbesuchspflicht durch den Sozialhilfeträger im Rahmen der §§ 53ff. SGB XII führen würde. Weder dem SGB XII noch dem SGB IX lässt sich eine allgemeine Definition über die Frage entnehmen, was genau unter einer  angemessenen Schulbildung zu verstehen ist. Wie der Verweis in § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HS 2GB XII deutlich macht (“die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht bleiben unberührt“) , erfolgt die Beurteilung dieser Frage nach den Schulgesetzen der Länder. Der Sozialhilfeträger ist folglich an die Entscheidung der Schulverwaltung über die Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht eines behinderten Kindes in einer Schule bzw. einer bestimmten Schulart gebunden. Solange die Schulbehörde ihre Entscheidung aufrecht erhält, kann sich der Sozialhilfeträger damit auch nicht auf das Prinzip der Nachrangig der Sozialhilfe nach § 2 SGB XII berufen.

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