25. März 2012 · Kommentare deaktiviert für BVerwG: Heranziehung zu einem jugendhilferechtlichen Kostenbeitrag bei Erziehungshilfen nur dann i.S.d. § 94 I 1 SGB VIII angemessen, wenn Beitragspflichtigem der unterhaltsrechtliche Selbstbehalt belassen wird · Kategorien: Aktuelle Entscheidungen, Kinder- und Jugendhilferecht (SGB VIII), Pflegekinder

Das Bundesverwaltungsgericht hat in einer für das Kostenrecht des SGB VIII bedeutsamen Entscheidung der Heranziehung zu den Kosten bei jugendhilferechtlichen Maßnahmen nach den § 27ff. SGB VIII eine Grenze gezogen, nämlich die des unterhaltsrechtlichen Selbstbehalts.

Dieses Urteil ist insoweit bedeutsam, als dass der Gesetzgeber im Jahr 2005 die Kostenbeteiligung im Kinder- und Jugendhilferecht neu geregelt hat. Vorher war die Frage der Kostenheranziehung bei Erziehungshilfen in der Jugendhilfe dergestalt geregelt, dass unter bestimmten Voraussetzungen ein Übergang des zivilrechtlichen Unterhaltsanspruchs auf den Träger der Jugendhilfe vorgesehen war, den dieser dann im Konfliktfall vor den Zivilgerichten durchzusetzen hatte. Mit der Neuregelung wollte der Gesetzgeber dieses teilweise sehr komplexe Zusammenspiel von unterhalts- und sozialrechtlichen Bestimmung entflechten und so nicht nur die Leistungsgewährung, sondern auch die Heranziehung zu den Kosten öffentlich-rechtlich ausgestalten.

Mit dieser zumindest vom ihm so intendierten Verwaltungsvereinfachung und Senkung des Vollzugsaufwands wollte sich der Gesetzgeber jedoch nicht in materielle Wertungswidersprüche zum Unterhaltsrecht begeben. Daraus folgt, dass bei der Festsetzung einkommensabhängig gestaffelter Pauschalbeträge gem. § 94 V SGB VIII zwar ein gewisser Spielraum für Abweichungen von Unterhaltsrecht besteht, dies im Ergebnis jedoch nicht zu einem Verstoß gegen unterhaltsrechtliche Grundprinzipien führen darf.

Ein solches elementares Prinzip des Unterhaltsrechts ist der sog. Eigenbedarf bzw. Selbstbehalt, der nach ständiger Rechtsprechung des BGH dem Betrag ist, der dem Unterhaltspflichtigen mindestens für den eigenen Unterhalt zu belassen ist. Diese “Opfergrenze” wird im Allgemeinen etwas über dem Sozialhilfebedarf angesetzt.

Im vorliegenden Fall sollte der Kläger zu einem monatlichen Kostenbeitrag in Höhe von 440 € herangezogen werden. Er hatte jedoch monatliche Fahrtkosten von 597,60 €, die nach unterhaltsrechtlichen Maßstäben, auf die bei einer unterhaltsrechtlichen Vergleichsberechnung zur Prüfung des Selbstbehalts abzustellen ist, abzugsfähig waren. Im Ergebnis hatte er ein unterhaltsrechtlich bereinigtes Nettoeinkommen von 1.192,75 €. Nach den unterhaltsrechtlichen Leitlinien des OLG Schleswig-Holstein betrug der entsprechende Selbstbehalt 890 €, was eine Differenz von 302,75 € ausmacht. Da der von der Beklagten festgesetzte Kostenbeitrag dem Kläger somit deutlich weniger als den unterhaltsrechtlichen Selbstbehalt belassen würde, wäre dieser Kostenbeitrag nicht angemessen i.S.d. § 94 I 1 SGB VIII.

(BVerwG, Urteil vom 19.08.2010, Az.: 5 C 10.09)

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