20. Oktober 2009 · Kommentare deaktiviert für Das neue Kinderschutzrecht und die Zusammenarbeit zwischen Jugendamt und Familiengericht: eine erste Zwischenbilanz · Kategorien: Aktuelle Entwicklungen, Kinder- und Jugendhilferecht (SGB VIII), Sorgerecht, Umgangsrecht, Unterhalt, Vaterschaft

Die leitende Richterin am Familiengericht Köln, Margarethe Bergmann, hat eine erste Zwischenbilanz des im Jahr 2008 in Kraft getretenen Kinderschutzrechtes gezogen und zeigt mögliche Perspektiven für die Zukunft auf.

Im Folgenden eine ausführliche Zusammenfassung dieses Artikels:

(Quelle: Margarethe Bergmann, in ZKJ 10/2009, S. 404-406)

Seit dem Jahr 2008 ist das neue Kinderschutzrecht(1) in Kraft, dessen Kern vor allem in einer frühzeitigeren Einschaltung der Familiengerichte bei der Gefahr einer Kindeswohlgefährdung, der Herabsetzung der richterlichen Eingriffschwelle des § 1666 BGB durch ein ausschließliches Abstellen auf die Situation des Kindes liegt. Auch hat das Zusammenwirken der verschiedenen beteiligten Institutionen wie Jugendämter (JA), Familiengerichte (FamG) u.a. inzwischen eine entscheidende Bedeutung in der täglichen Praxis erlangt.

Im Regelfall werden Verfahren, die dem Kinderschutz dienen, durch einen Antrag des JA an das FamG eingeleitet. Grundsätzlich kann auch jede andere Person dem FamG Mitteilung über eine (beobachtete oder vermutete) Kindeswohlgefährdung machen, das dann von Amts wegen verpflichtet ist, dieser Mitteilung nachzugehen, im Übrigen hat eine solche Mitteilung wegen Kindeswohlgefährdung stets Vorrang gegenüber eine Schweigepflicht.
Jedoch ist es grundsätzlich sinnvoller, den Weg über ein JA zu beschreiten, da dieses gem. § 8a III S.2 SGB VIII das betreffende Kind im Notfall sofort aus der Familien herausnehmen in Obhut nehmen kann. Anträge von Dritten direkt an das Gericht empfehlen sich nur in Situationen, in denen das JA untätig bleibt oder die Maßnahmen herauszögert.

Liegen dem JA Informationen vor, die auf eine Kindeswohlgefährdung schließen lassen, so muss es zunächst gem. § 8a I SGB VIII im Zusammenwirken mehrere Fachkräfte die Situation abschätzen, wobei nach Möglichkeit auch die Personensorgeberechtigten und das Kind mit zu beteiligen sind. Sollten die Mitwirkung der Beteiligten nur unzureichend sein, ist vom JA gem. § 8a III SGB VIII das FamG einzuschalten, so es dies für erforderlich hält. Darüber hinaus kann das Kind durch das JA zunächst in Obhut genommen werden, wenn eine dringende Gefahr besteht und eine Gerichtsentscheidung nicht abgewartet werden kann.

Das FamG seinerseits wird dann eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn die Voraussetzungen für sein Eingreifen vorliegen und eine akute Kindeswohlgefährdung glaubhaft erscheint, was bspw. auf eine Übertragung der elterlichen Sorge auf das JA beinhalten kann, um letzteres in die Lage zu versetzen, weitere Maßnahmen zum Schutz des Kindes zu ergreifen. Allerdings handelt es sich hier um eine vorläufige Regelung, die zunächst der Verbesserung der Situation des Kindes dient, gegen die die Beteiligten beim OLG Beschwerde einlegen können.
In den Fällen, in denen eine solche einstweilige Anordnung ohne mündliche Verhandlung erfolgt ist, ist ein entsprechender Antrag beim FamG zu stellen, das daraufhin Stellungnahmen der Beteiligten einholt und ggf. weitere Berichte abwartet. Die endgültige Entscheidung wird dann nach mündlicher Verhandlung mit allen Beteiligten getroffen, was sich natürlich in die Länge ziehen kann, vor allem dann, wenn Rechtsmittel eingelegt wurden. Zwischenzeitlich kann das JA jedoch auf der Grundlage der einstweiligen Anordnung die entsprechenden rechtlichen Möglichkeiten zum Schutz des Kindes ausschöpfen und das Kind bspw. in einer Dauerpflegefamilie unterbringen.

§ 50e II FGG schreibt in bestimmten Fällen einen mündlichen Anhörungstermin vor, was in Fällen von Kindeswohlgefährdung angemessen erscheint, in anderen Konstellationen wie dauerhafter Aufenthaltswechsel ohne Kindeswohlgefährdung jedoch eher nicht. In solchen Fällen dient der schnelle Termin nur der Klärung, inwieweit eine einvernehmliche Lösung möglich und wie weiter vorzugehen ist. Eine solche kurzfristige Terminierung stellt hohe Anforderungen an alle beteiligten Berufsgruppen, insbesondere an das JA.
Zu dem frühen Termin sind alle Beteiligten zu laden, jedoch ist von einer Anhörung des Kindes in Einzelfällen abzusehen, um es nicht zusätzlich zu belasten, was im einer strittigen Entscheidung natürlich wiederum anfechtbar sein kann. Auch sieht § 50a III FGG in Fällen häuslicher Gewalt oder Traumatisierungen aufgrund früherer Gewalteinwirkungen eine getrennte Anhörung vor, was natürlich die Suche nach einer von allen Beteiligten getragenen Lösung eher erschwert.

Im Ergebnis der Anhörung hat das Gericht hat das Gericht bei Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung dann über die Art und der Weise der zu ergreifenden Maßnahmen zu entscheiden. In vielen Fällen sind solche Maßnahmen jedoch schon im Antrag des JA vorgeschlagen, welche sich im Nachhinein jedoch oft als nicht ausreichende erweisen. Hier muss dann nach anderen Lösungen gesucht werden, jedoch trägt letztlich das JA trotz Einschaltung des FamG die Verantwortung für Maßnahmen nach dem § 36a SGB VIII, dem JA können durch das FamG nicht gegen seinen Willen bestimmte Hilfen für die Familie auferlegt werden, da das JA für die Finanzierung zuständig ist. § 1696 III BGB sieht in diesen Fällen eine nochmalige Überprüfung durch das Gericht innerhalb von 3 Monaten vor, was eine eher knappe Frist ist.

Insgesamt stellt die wirksame Umsetzung des neuen Kinderschutzrechts hohe Anforderungen an die Kooperationen der beteiligten Institutionen, wenn bspw. das Gericht die frühe Terminierung nicht mit allen Beteiligten abstimmt, wird der erste Termin nicht selten ohne das JA und entsprechend dürftigen Ergebnissen stattfinden.

Dementsprechend ist nicht nur eine erhöhte Kooperation als bisher in Einzelfällen notwendig, sondern darüber eine Standardisierung der gemeinsamen Vorgehensweise, was die Nutzung moderner Kommunikationsmittel wie Fax oder e-mail, nicht zuletzt aber auch Kooperationsgremien, in denen diese Standards von allen beteiligten Berufsgruppen erarbeitet. Entscheidend sind darüber hinaus interdisziplinäre Fortbildungen, um die Handlungsinstrumente, Denkweise und das Vorgehen der jeweiligen Berufsgruppen soweit wie möglich zu kennen. Ob der Gesetzgeber dies verbindlich vorschreiben sollte, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschließend beantwortet werden.

 

1(Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls vom 04.07.2008, BGBl. I S. 1188)


Kommentare geschlossen.