17. Januar 2011 · Kommentare deaktiviert für Die direkte Anwendbarkeit der UN-Kinderrechtskonvention nach Rücknahme der deutschen Vorbehaltserklärung – Auswirkungen des Kindeswohlvorrangs von Art. 3I UN-KRK auf das deutsche Familien- sowie das Kinder- und Jugendhilferecht · Kategorien: Aktuelle Entwicklungen, Kinder- und Jugendhilferecht (SGB VIII), Pflegekinder, Sorgerecht, Umgangsrecht, Unterhalt, Vaterschaft, Vormundschaften

Nachdem Deutschland die Vorbehaltserklärung zur UN-Kinderrechtskonvention zurückgenommen hat, ist diese nun innerstaatlich direkt anwendbar. Zu den sich hieraus ergebenden Auswirkungen auf das deutsche Familienrecht, aber auch das SGB VIII hat der namhafte KJHG-Experte Wabnitz einen Beitrag in der aktuellen ZKJ veröffentlicht, von dem im Folgenden eine Zusammenfassung folgen soll (Quelle: Wabnitz, in ZKJ 12/2010, S. 428-432)

Einführung: Die UN-KRK und die deutsche Vorbehaltserklärung

Die 1992 in der Bundesrepublik in Kraft getretene UNO-Konvention über die Rechte des Kindes – UN-KRK – war bis vor kurzem in Deutschland nicht direkt anwendbar, da die Bundesregierung seinerzeit unter dem Druck der Länder eine Vorbehaltserklärung abgeben hat, deren wesentlicher Inhalt darin bestand, dass das Übereinkommen innerstaatlich keine unmittelbare Anwendung findet. Nach Rechtsauffassung der Bundesregierung (der jedoch vereinzelt widersprochen wurde) war die Konvention anders als deutsches Recht durch deutsche Organe (ob nun Behörden oder Gerichte) nicht direkt anwendbar.

Die Rücknahme dieser Vorbehaltserklärung ist seitdem immer wieder gefordert worden, nicht zuletzt auch vom UN-Ausschuss über die Rechte des Kindes und die wiederholten Anläufe der Bundesregierung scheiterten letztlich immer wieder am Widerstand der Länder. Erst in diesem Jahr war die erneute Initiative der Bundesregierung (vom 26.03.2010) letztlich von Erfolg gekrönt und der Bundesrat erteilte seine Zustimmung zur Rücknahme der Vorbehaltserklärung. Von großer Bedeutung dürfte sein, welche Auswirkungen die nun zu vorrangig zu erfolgende Berücksichtig des Kindeswohlprinzips aus Art. 3 I der Konvention auf das deutsche Familien-, aber auch das Kinder- und Jugendhilferecht hat.

Auswirkungen auf das Familien- und Kindschaftsrecht des BGB

Änderungen wird es bei der Anwendung materiell-rechtlicher Regelungen des deutschen Familienrechts geben müssen, wo bisher durch die Familiengerichte eine Abwägung zwischen Kindeswohl und den Belangen der Eltern zu erfolgen hatte, wie bspw. bei:

  • Meinungsverschiedenheiten der Eltern über Angelegenheiten von besonderer Bedeutung – § 1628 BGB
  • Meinungsverschiedenheiten über die Bestellung eines Pflegers oder der Familienpflege – § 1630 II, III S. 1BGB
  • Entscheidung über Herausgabe des Kindes bzw. Verbleibensanordnung – § 1632 III, IV BGB
  • Entscheidung über die Genehmigung von Rechtsgeschäften – §§ 1634 i.V.m.  1821 ff. BGB
  • Eingriff in die elterliche Sorge nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit oder dem Vorrang öffentlicher Hilfen – § 1666a BGB, Maßnahmen bei Gefährdung des Kindesvermögens – § 1667 BGB oder Vermögenssorge – § 1683 BGB
  • Umgang mit dem Kind – § 1684 III BGB
  • Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes – § 1693 BGB

Zwar sind die Eltern keine direkten Normadressaten des Art. 3 I KRK, jedoch des Art. 6 II S. 1 GG, soweit das Elternrecht auch an Pflichten gebunden ist, insbesondere die treuhänderische Wahrnehmung der Belange des Kindes. Grenze und Grund des Elternrechts ist das Kindeswohl.  Das Kindeswohl ist somit von den Eltern auch in allen Belangen vorrangig zu berücksichtigen, soweit es um die Vermögens- und Personensorge geht.

In Fragen des Vormundschaftsrechts dürfte Art. 3 KRK bei den § 1773 ff. BGB eine Rolle spielen, soweit in diesem Bestimmungen das „Wohl des Kindes“ nicht explizit genannt wird. Dies gilt nicht nur für den Vormund, sondern auch für das Familiengericht, soweit es Entscheidungen nach den §§ 1837 ff. BGB oder im Pflegschaftsrecht nach den §§ 1909 ff. BGB zu treffen hat. Der Vorrang des Kindeswohls aus Art. 3 KRK dürfte ebenfalls für die Aufgaben des Jugendamtes zum Tragen kommen, soweit es um Bereiche wie Feststellung der Vaterschaft, Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen (§ 1712 ff. BGB) u.ä. geht.

Im privaten Unterhaltsrecht sind gesetzliche Bestimmungen zum nachehelichen (Kindes-) Unterhalt (§§ 1569f. BGB), Unterhaltsansprüchen minderjähriger Kinder gegenüber den Eltern (§§ 1601 ff. BGB) oder zum Bestimmungsrecht der Eltern über die Art der Unterhaltsgewährung nach § 1612 II BGB verstärkt unter Berücksichtigung des Kindeswohls (und teilweise zum Nachteil der Unterhaltspflichtigen) anzuwenden.

Soweit es um das anzuwende Verfahrensrecht (des FamFG) geht, ist dem Kindeswohlvorrang noch stärker Rechnung zu tragen und eine Entscheidung gegen das Kindeswohl muss das angenommene Überwiegen anderer Interessen besonders sorgfältig abgewogen und begründet werden.

Auswirkungen auf das Kinder- und Jugendhilferecht des SGB VIII

Auch im Kinder- und Jugendhilferecht (des SGB VIII) kann der nunmehr direkt anwendbare Kindeswohlvorrang des Art. 3 KRK natürlich nicht ohne Auwirkungen bleiben. So dürfte eine entsprechende Auslegung von objektive Rechtsverpflichtungen statuierenden Normen des SGB VIII ergeben, dass über objektive hinaus auch subjektive Rechtsansprüche bestehen können, selbst wenn sich diese nicht ausdrücklich aus dem Normtext ergeben.  Bei Interessenkonflikten zwischen Kindern und ihren Eltern und nicht zuletzt auch Pflegeeltern und Trägern der Kinder- und Jugendhilfe muss der Kindeswohlvorrang noch stärker in die Güterabwägung einbezogen werden. Relevant ist dies vor allem für den Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung (§ 8a SGB VIII), der Inobhutnahme (§ 42 SGB VIII), der Auswahl geeignerter Hilfen bei Erziehungsdefiziten (§§ 27 ff. SGB VIII) oder seelisch behinderte Kindern und Jugendlichen, dem Wunsch- und Wahlrecht der Kinder (§ 5 SGB VIII), dem Hilfeplan (§ 36 SGB VIII) oder der Mitwirkung des Jugendamtes in familienrechtlichen Verfahren (§ 50 SGB VIII).

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