31. August 2012 · Kommentare deaktiviert für Sorgerechtsreform: offizieller Gesetzentwurf der Bundesregierung liegt jetzt vor · Kategorien: Aktuelle Entwicklungen, Sorgerecht

Nach dem Referentenentwurfd des BMJ gibt es nun auch einen offiziellen Gesetzentwurf der Bundesregierung, der dem Bundesrat zur Stellungnahme weitergeleitet wurde.

Bei der Reform des Sorgerechts für nicht miteinander verheirateter Eltern nimmt die zeitnah zu erwartenden Neuregelung nun immer deutlichere Konturen an. Am 10.08.2012 hat die Bundesregierung ihren nun fertigen Gesetzentwurf an den Bundesrat zur Stellungnahme weitergeleitet.

Die seit Jahren anhaltende Diskussion über die Sorgerechtsregelung bei unverheirateten Eltern und hier insbesondere die ungenügende Rechtsposition der Väter nahm ihre entscheidende Wendung wohl mit den beiden historischen Urteilen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte Ende 2009 und nur einige Monate des Bundesverfassungsgerichtes. Dies ist hier bereits auch auch auf dieser Seite ausführlich dargestellt worden.

Nachdem das BVerfG eine “Interimslösung” angeordnet hat, gab es dem Gesetzgeber gleichzeitig auf, das Sorgerecht neu zu regeln. Wie ebenfalls schon berichtet, gab es im April einen ersten Referentenentwurf aus dem Bundesjustizministerium, der sich mit seiner “Antragslösung” eng an die die Zwischenregelung des Bundesverfassungsgerichts hielt.

Nun liegt also der endgültige Gesetzsentwurf der Bundesregierung vom 10.08.2012 vor, der auch am gleichen Tag an den Bundesrat für eine Stellungnahme weitergeleitet wurde, der in dieser Form aller Voraussicht nach wohl mehr oder wenger das neue Sorgerecht sein dürfte. Die entscheidende Vorschrift, die in ihrer alten Form vom EuGHMR als Verstoß gegen die Art. 4 und Art. 8 EMRK und vom BVerfG als Verletzung des Elterngrundrechts aus Art. 6II GG, ist der § 1626a BGB. In der alten Fassung wurde für die Mutter eine Art “Vetorecht” gegen ein gemeinsames Sorgerecht statuiert, das einer gerichtlichen Überprüfung (zumindest im Regelfall) nicht zugänglich war und daher von den beiden Gerichten beanstandet wurde. Die neue Fassung enhält nun im ersten Absatz ein Nr. 3, die sich im Zusammenhang wie folgt liest:

§ 1626a
Elterliche Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern; Sorgeerklärungen

(1) Sind die Eltern bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet, so steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu

3. soweit ihnen das Familiengericht die elterliche Sorge gemeinsam überträgt

Die wirklich entscheidende Passage findet sich jedoch im neu gefassten Absatz 2:

(2) Das Familiengericht überträgt gemäß Absatz 1 Nummer 3 auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge beiden Eltern gemeinsam, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht. Trägt der andere Elternteil keine Gründe vor, die der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen können, und sind solche Gründe auch sonst nicht ersichtlich, wird vermutet, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl nicht widerspricht.

Wie zu erwarten, hat man sich auch hier für die Antragslösung entschieden – nicht nur aus der rechtsvergleichenden Sicht ist auch die sogen. große Lösung (gemeinsames Sorgerecht qua Gesetz) bekannt. Der Kindesvater hat nun mehrere Möglichkeiten, zum gemeinsamen Sorgerecht zu gelangen. Bereits das alte Recht sah vor, dass er beim Jugendamt eine Sorgereklärung abgibt, in der Hoffnung, dass die Mutter dem gemeinsamen Sorgerecht zustimmt. Abhängig davon, welche Chancen er sich hier ausrechnet, kann er nun ohne vorherige Erklärung auch direkt das Gericht anrufen. Diese nimmt dann eine sogenannte negative Kindeswohlprüfung vor, wonach für die Übertragung des gemeinsamen Sorgerechts nicht die positive Feststellung notwendig ist, dass das gemeinsame Sorgerrecht des Kindeswohl entspricht, sondern nur, dass es diesem nicht widerspricht. Hiermit will der Gesetzgeber der Erkenntnis Rechnung tragen, dass eine gemeinsame Sorge grundsätzlich den Bedürfnissen des Kindes nach Beziehungen zu beiden Elternteilen entspricht. Zudem kann ggfs. auch nur Teilbereiche der elterlichen Sorge übertragen werden.

Für die Praxis wichtig ist sicher auch das geplante beschleunigte Verfahren. Trägt die Mutter keine Gründe gegen eine gemeinsame Sorge vor bzw. sind solche nicht anderweitig bekannt, besteht die gesetzliche Vermutung, dass ein gemeinsames Sorgerecht dem Kindeswohl nicht widerspricht und es kommt ein vereinfachtes Verfahren zur Anwendung. Das BVerfG sah in seiner Entscheidung vom 21.07.2010 (Az.: 1 BvR 420/09 sowohl die grosse, als auch die Antragslösung als verfassungskonform an. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs will der Gesetzgeber mit Kombination der materiell-rechtlichen Vermutung und dem vereinfachten Verfahren zu einer ausgewogenen Regelung kommen, die dem Kindeswohl zwischen zwischen beiden Lösungsansätzen am ehesten Rechnung trägt. Einerseits sollte verhindert werden, dass in Fällen, in denen das Kindeswohl gegen die gemeinsame Sorge spricht, diese schon per Gesetz entsteht. Auf der anderen Seite soll eine umfassende Prüfung durch das Gericht nur dann erfolgen, wenn dies zum Schutz des Kindes dringend erforderlich ist.

Nicht unerwähnt bleiben sollte auch noch die Neufassung des § 1671 BGB. Der alten § 1672 I BGB, wonach die alleinlebende Mutter ein “Vetorecht” gegen die Übertragung des alleinigen Sorgerechts hatte, wurde vom BVerfG für verfassungswidrig erklärt und der § 1672 BGB im Gesetzentwurf vollständig gestrichen. Der neue § 1671 BGB fasst nun beide Vorschriften zusammen und eröffnet auch hier dem Vater die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung.

Inwieweit dieser Entwurf nun Gesetzform erlangt bzw. wie sich die Praxis nach Inkraftreten der Neuregelung gestaltet, wird natürlich auf dieser Seite weiter aufmerksam begleitet werden.

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