09. August 2009 · Kommentare deaktiviert für Vollmacht/Ermächtigung zur Ausübung von Befugnissen aus der elterlichen Sorge · Kategorien: Aktuelle Entscheidungen, Aktuelle Entwicklungen, Sorgerecht

Vollmacht/Ermächtigung zur Ausübung von Befugnissen aus der elterlichen Sorge

Im Folgenden eine ausführliche Zusammenfassung eines Artikels von Prof. Dr. Birgit Hoffmann von der Hochschule Mannheim zu den rechtlichen Grundlagen von Vollmachten und Ermächtigungen zur Ausübung von Befugnissen aus elterlicher Sorge.

(Quelle: Birgit Hoffmann, in ZKJ 04/2009, S. 156-161)

Die Erteilung von Vollmachten zur Ausübung von Befugnissen aus der elterlichen Sorge gewinnt vermehrt an Bedeutung, da die fortschreitenden Verrechtlichung aller Lebensbereiche zu einem erhöhten Legitimationsbedarf sowohl gegenüber dem anderen Elternteil als auch gegenüber Dritten. Hinzu kommt, dass die Anzahl von Kindern, die nicht mehr mit beiden sorgeberechtigten Elternteilen zusammenleben, bei denen aber immer noch die gemeinsame elterliche Sorge besteht, deutlich gewachsen ist. Eine wichtige Funktionen können derartige Vollmachten auch als Alternative zu einem Sorgerrechtsentzug gem. §§ 1666, 1666a BGB erfüllen. Im Folgenden geht es um eine Darstellung der Vorraussetzungen Grenzen von Vollmachten zur Ausübung von Befugnissen aus elterlicher Sorge.


Befugnis zur Sorge, Vollmacht/Ermächtigung zur Ausübung zur Sorge

a) Charakter der Befugnis zur elterlichen Sorge: Die elterliche Sorge ist ein höchst persönliches, i.S.d. § 823 BGB absolutes Recht, das gegen jeden Dritten wirkt, es kann nicht an dritte Personen oder Institutionen übertragen werden bzw. von diesen Gericht beantragt werden. Nur in gesetzlich normierten Ausnahmefällen kann dieses Recht von einem Familien- oder Vormundschaftsgericht beschränkt, entzogen und auf eine andere Person übertragen werden.
b) Charakter einer Vollmacht/Ermächtigung zur Ausübung von Sorge: Eine Bevollmächtigung anderer mit der Ausübung elterlicher Befugnisse ist hingegen grundsätzlich zulässig, wobei analog zu § 125 II S.2 HGB zwischen Vollmachten und Ermächtigungen unterschieden wird. Letztere kommt nur zwischen gemeinsam Sorgeberechtigten in Betracht, das sie eine Gesamtvertretungsmacht voraussetzt und diese punktuell zu einer Einzelvertretungsmacht erweitert. Grundsätzlich gelten für Vollmachten die gleichen Regelungen, Eltern haben hier die freie Wahl. Vollmachten bzw. Ermächtigungen bzw. Vollmachten sind die Grundlage für eine Vertretung in der Ausübung elterlicher Sorge und verleihen nur von den Sorgeberechtigten abgeleitete Befugnisse, deren Sorgeberechtigung selbst davon unberührt bleibt.

Hintergründe für Vollmachten/Ermächtigungen
a) zwischen rechtlichen Eltern: bei zusammen lebenden Eltern dürfte eine gegenseitige Bevoll-/Ermächtigung bereits für die Organisation des Familienalltags unentbehrlich sein, im Fall einer Trennung eine Alternative zu einer Entscheidung nach § 1671 BGB, eine Vollmacht kann von beiden Seiten gewünscht sein, da der nicht sorgeberechtigte Elternteil lediglich Befugnisse bei Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung hat.
b) für sozialen Eltern und erziehende Dritten: sozialen Eltern geben die gesetzlichen Regelungen des BGB nur wenige, im Umfang begrenzte Möglichkeiten, Sorge für die Kinder auszuüben. Ihnen und auch erziehenden Dritten wie Lehrern wird eine Betreuung bzw. Erziehung erst durch Vollmachten möglich
c) Alternative zu Eingriffen in die elterliche Sorge nach § 1666, 1666a BGB: Vollmachten können auch als Alternative für ein Eingriff in die elterliche Sorge nach den § 1666, 1666a BGB sein, was sich schon aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ergibt. Eine an Dritte – i.d.R. Jugendämter – erteilte Vollmacht kann schon genügen, um eine Kindeswohlgefährdung abzuwenden, entscheidendes Kriterium hierfür ist, ob die Erteilung einer Vollmacht den Zugang des Kindes zu den aufgrund der Kindeswohlgefährdung erforderlichen Hilfen ermöglicht. In der Praxis ist dies bis jetzt noch wenig verbreitet, mangelnde Akzeptanz derartig begründeter Befugnisse können zu einem Sorgerechtsentzug trotz Bereitschaft der Eltern zum Erteilen einer Vollmacht führen.


Vollmacht/Ermächtigung und Grundverhältnis

a) Verhältnis zwischen Vollmacht und Grundverhältnis: Wichtig ist die Unterscheidung zwischen Grundverhältnis (Beziehung zwischen Vollmachtgeber und –nehmer) und Außenverhältnis (Beziehung zwischen aus Vollmacht Befugten zu Dritten). Das Erteilen einer Vollmacht ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, eine Verpflichtung zum Nutzen einer Vollmacht kann sich daher nur aus dem Grundverhältnis ergeben. So sind bspw. Jugendämter nicht verpflichtet, allein auf Vollmachten basierende Handlungsbefugnisse zu akzeptieren, sollte es dies für eine Abwendung des Kindeswohls ungeeignet halten. Desweiteren ist zu prüfen, ob mit einer elterlichen Einwilligung ein eine Erziehungshilfe auch eine konkludente Bevollmächtigung für Befugnisse ist, die über die des § 1688 BGB hinausgehen.
b) Rechtliche Einordnung des Grundverhältnisses: abgesehen von der umstrittenen Rechstnatur von zwischen Eltern getroffener sorgerechtlicher Vereinbarungen ist die Möglichkeit, solche überhaupt abzuschließen, prinzipiell anerkannt. Was das Verhältnis zu Dritten (soziale Eltern, andere erziehende Dritte) betrifft, so muss zwischen einem unentgeltlichen Auftrag gem. § 662 und einem Geschäftsbesorgungsvertrage gem. § 675 BGB unterschieden werden, beide wiederum vom bloßen Gefälligkeitsverhältnis. Ein die Ausübung elterlicher Befugnisse umfassendes Befugnis ist vor allem bei sozialen Familien zu finden, Gefälligkeitsverhältnisse vor allem bei der kurzfristigen Betreuung aufgrund nachbarschaftlicher oder freundschaftlicher Kontakte. Beim Zusammenleben eines sorgeberechtigten Elternteils mit einem neuen Partner entscheidet sich die Frage, ob dessen Befugnisse als sozialer Elternteil die elterliche Sorge umfasst oder nur die Übernahme tatsächlicher Betreuung aus einem Gefälligkeitsverhältnisse nach der Absprache zur Kinderbetreuung.
c) Vorraussetzungen eines wirksamen Grundverhältnisses: Grundsätzlich müssen beide Elternteile geschäftsfähig sein, minderjährige Elternteile können im Rahmen der sich aus § 1673 II S.2 BGB ergebenden Befugnis zur tatsächlichen Personensorge Vereinbarungen abschließen bzw. bevollmächtigt werden, dies jedoch nur für tatsächliche oder geschäftsähnliche, nicht jedoch für rechtsgeschäftliche Handlungen. Formvorschriften gibt es keine, nur in Scheidungsfällen werden entsprechende Vereinbarungen schriftlich fixiert, ebenso wenig ist eine gerichtliche Genehmigung Voraussetzung der Wirksamkeit, allerdings können auf derartige Vereinbarungen gerichtete Gerichtsentscheidungen Auswirkungen auf deren Bindungswirkung und Vollstreckbarkeit haben. Jedoch gibt es Einschränkungen inhaltlicher Natur: so kann keinem Elternteil eine Alleinentscheidungsbefugnis für Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung erteilt werden, gem. § 1687 I S.1 BGB selbst nach der Trennung nicht, auch kann nicht verbindlich definiert wird, was eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung ist, des weiteren kann auch keine entgegen der Vorschrift des § 1687a BGB lautende Vereinbarung getroffen werden, die eine gemeinsame Entscheidung von sorgeberechtigten und nicht sorgeberechtigten Elternteil für notwendig erklärt. Bei Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung sind Vereinbarungen allenfalls bezogen auf konkrete Angelegenheit möglich. Schließlich kann sich auch noch eine Teilwirksamkeit aus § 139 BGB ergeben. Was das Verhältnis zwischen Sorgeberechtigten und Dritten betrifft, so gelten hier ebenfalls die Grundsätze der Formfreiheit, Geschäftsfähigkeit und Entbehrlichkeit richterlicher Genehmigungen. Die Frage, ob ein derartiges Grundverhältnis bei einer gemeinsamen elterlichen Sorge von einem oder von beiden Teilen zu begründet werden kann, entscheidet sich auf der Grundlage des Verhältnisses zwischen beiden. Leben beide gemeinsam, so gilt der Grundsatz der gemeinsamen Vertretung gem. § 1629I BGB, bei getrennt Lebenden kann sich eine Alleinentscheidungsbefugnis aus § 1687I S. 1 BGB ergeben.
d) Vorgaben aus dem Grundverhältnis für das Handeln aufgrund von Vollmacht/Ermächtigung: inhaltliche , vom zugrunde liegenden Rechtsverhältnis sich ergebende Vorgaben für das Handeln können sowohl Einzelanweisungen als auch allgemeine Vorgaben sein. Sollten konkrete Vorgaben fehlen, so gilt als konkludent vereinbarter Maßstab der, der auch vom Sorgeberechtigten selbst angelegt werden würde: nämlich das Kindeswohl. Darüber hinaus gelten noch allgemeine rechtliche Vorgaben wie etwa familienrechtliche Vorbehalte.
e) Ende des Grundverhältnisses: Was das Verhältnis zwischen Eltern betrifft, so ist in Fällen von Vereinbarungen bzgl. konkreter Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung ein Widerruf analog zu § 1696 BGB aus triftigen Grund, begründetem Anlass oder nicht umgesetzter Einigung möglich. Ansonsten ist ein einseitiger Widerruf jederzeit möglich. Zudem gilt, dass bei sorgeberechtigten Eltern eine Trennung konkludent als auflösende Bedingung vereinbart wurde. Soweit es um das Verhältnis zu Dritten geht, so ist das Grundverhältnis jederzeit kündbar, wenn es ausschließlich aus der Bevollmächtigung besteht. Bei umfassenderen Vertragsregelungen richtet sich die Möglichkeit von Teilkündigungen nach den getroffenen Vereinbarungen bzw. der Regelung des § 671I BGB. Kündigt der Vollmachtgeber das Grundverhältnis, ist hier gem. § 168 BGB auch eine konkludente Kündigung der Vollmacht zu sehen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass durch die Anregung eines Verfahrens gem. §§ 1666, 1666a, 1669 BGB durch ein Jugendamt keine Kündigung des Grundverhältnisses gesehen werden kann, da es für letzteres vorteilhaft sein kann, bis zur Fällung einer Gerichtsentscheidung über sich aus einer Vollmacht ergebende Befugnisse verfügen zu können.

Vollmacht/Ermächtigung
a) Voraussetzungen einer wirksamen Vollmacht/Ermächtigung: Ebenso wie beim Grundverhältnis gilt hier Voraussetzung der Geschäftsfähigkeit, des weiteren dürfen die erteilten Vollmachten die dies Vollmachtgebers nicht überschreiten. Leben gemeinsam Sorgeberechtigte zusammen, so kann auch hier gem. § 1629I S. 2 BGB eine Vollmacht nur gemeinsam erteilt werden, im Fall einer Scheidung oder des Getrenntlebens bemisst sich die Befugnis zur Alleinentscheidung nach § 1687 BGB. Minderjährige kann nach Maßgabe des § 1673 II S. 2 BGB Vollmachten für tatsächliche oder geschäftsähnliche Handlungen erteilen, die Einwilligung eines gesetzlichen Vertreters ist nicht notwendig. Zudem sind auch hier Anscheins- und Duldungsvollmachten denkbar, der Rechtschein muss bei gemeinsamer elterlicher Sorge allerdings durch beide Elternteile gesetzt worden sein. Sodann kann inhaltlich noch zwischen Spezial-, Gattungs- und Generalvollmachten unterschieden werden. Eine Unwirksamkeit kann sich aus der Bevollmächtigung zur Wahrnehmung von Angelegenheiten ergeben, die aufgrund ihres höchstpersönlichen Charakters nicht übertragen werden dürfen, wie bspw. die Entscheidung über eine freiheitsentziehende Unterbringung nach § 1631b BGB. Nichtig sind unwiderrufliche Vollmachten, da sie einem Verzicht auf das Sorgerecht an sich bedeuten würden.
b) Handeln aufgrund von Ermächtigung/Vollmacht: inhaltliche Vorgabe erben sich aus dem Grundverhältnis, bewegt sich das Handeln im Rahmen der Vollmacht, muss sich der Sorgeberechtigte es auch bei Verstoß gegen Einzelanweisungen oder allgemeine Regeln anrechnen lassen. Zu einem dem Kindeswohl entgegenlaufendem Verhalten ist kein Sorgeberechtigter befugt, somit kann er auch keine entsprechende Vollmacht erteilen. Handeln außerhalb der Vollmacht stellt keine wirksame Ausübung von Befugnissen aus elterlicher Sorge dar.
c) Pflichten des Sorgeberechtigten nach Erteilen der Vollmacht: die uneingeschränkte Sorgeberechtigung bzw. –verpflichtung bleibt auch nach Vollmachterteilung bestehen, ihn trifft darüber hinaus die Pflicht zur Sorgfalt bei der Auswahl und Information des Dritten, sowie zur Kontrolle seines Handelns etwa dergestalt, dass der mit Aufsicht beauftragte seinen Aufsichtspflichten nachkommt und nachkommen kann.
d) Ende einer Vollmacht/Ermächtigung: Das Ende einer Vollmacht richtet sich in erster Linie nach seinem Inhalt, sei es durch Erreichen der Befristungsende, Eintritt einer Bedingung oder Zweckerreichung. Eine Vollmacht kann ferner mit dem Tod des Vollmachtgebers enden, ein Sorgerechtsentziehung per Gericht nach Maßgabe der §§ 1666, 1666a oder auch der §§ 1671f. BGB beendet ebenfalls eine entsprechende Vollmacht. Der Vollmacht kann ferner durch einseitigen Widerruf seitens des Vollmachtgebers erlöschen, der Bevollmächtigte seinerseits kann prinzipiell ebenfalls die Vollmacht jederzeit niederlegen, die Kündigung eines Betreuungsvertrages seitens der betreffenden Einrichtung führt zum gleichen Ergebnis.

Fazit
Auf der theoretischen Ebene gibt es kaum nennenswerte Streitpunkte, die Schwierigkeiten dürften vielmehr in der praktischen Handhabung liegen, sie es durch den geringen Formalisierungsgrad, die jederzeit mögliche Widerrufbarkeit und die Unklarheiten bzgl. der höchstpersönlich wahrzunehmenden Angelegenheiten.

Kommentare geschlossen.