Der BGH hat vor einigen Monaten in einer Entscheidung klargestellt, dass sich sich das Recht auf Vaterschaftsanfechtung für biologische Väter auch auf die Samenspender erstreckt (15.5.2013, Az.: XII ZR 49/11). Da der Wortlaut des § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB eine eidesstattliche Versicherung voraussetzt, der Mutter während der Empfängniszeit “beigewohnt” zu haben, ist in der Kommentierung zum Teil auf den Ausschluss eines Samenspenders geschlossen worden (vgl. Hahn/BeckOK, § 1600 BGB, Rn. 3, Stand: 1.5.2013). Nun ist also höchstrichterlich entschieden, dass nach verfassungskonformer Auslegung des § 1600 BGB dieser Ausschluss nur dann gilt, wenn der Zeugung eine auf die (ausschließliche) Vaterschaft eines Dritten als Wunschvater gerichtete Vereinbarung (sog. konsentierte heterologe Insemination) vorausgegangen ist.
Wichtige Grundlinien der Argumentation sind schon von dem in der Vorinstanz befassten und vom BGH insoweit bestätigten OLG Köln (17.5.2011, Az.: 14 UF 160/10) vorgegeben worden. Als das Bundesverfassungsgericht am 9.4.2003 (Az.: 1 BvR 1493/96) entschied, dass ein leiblicher Vater zwar kein Träger des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG ist, soweit er nicht auch der rechtliche Vater ist, diese Grundrechtsnorm andererseits aber sein Interesse schützt, die Rechtsstellung als Vater einzunehmen, wurde eine Änderung des § 1600 BGB notwendig. In der Begründung des Regierungsentwurfs war noch von einer “Glaubhaftmachung” der Beiwohnung die Rede und als Bestandteil der Begründetheit konzipiert. Die als “Schlüssigkeitsprüfung” verstandene Glaubhaftmachung sollte “insbesondere aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes von Mutter, Kind und rechtlichem Vater als – wenn auch kleine – formelle Hürde eine Anfechtung ‘ins Blaue’ hinein” verhindern (vgl. BT-Drucks. 15/2253, S. 5ff). In der späteren Fassung des Rechtsausschusses. Aus der Begründung der späteren Fassung des Rechtsausschusses (auf dessen Vorschlag vorher schon die Glaubhaftmachung durch eine eidesstattliche Versicherung ersetzt wurde) geht jedoch hervor, dass die eidesstattliche Versicherung nur noch als Verfahrensvoraussetzung zu verstehen ist. Zudem sah der Rechtsausschuss im Hinblick auf ein (etwaiges) Elternrecht des leiblichen Vaters aus Art. 6 Abs. 2 GG keine Bedenken gegen eine Versagung der Anfechtungsrechts, da dessen erklärte Bereitschaft zur Teilnahme an einer Samenspende als konkludenter Verzicht auf die rechtliche Vaterschaft und ein entsprechendes Anfechtungsrecht zu deuten sei (vgl. BT-Drucks. 15/2492, S. 4ff.). Hier handelt es es sich jedoch auf die Konstellation des § 1600 Abs. 5 BGB: “Ist das Kind mit Einwilligung des Mannes und der Mutter durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden, so ist die Anfechtung der Vaterschaft durch den Mann oder die Mutter ausgeschlossen“. Ein pauschaler Ausschluss aller Samenspender ist vor diesem Hintergrund jedoch nicht gerechtfertigt. So wäre etwa auch der mit der Mutter unverheiratete Wunschvater betroffenen, dessen Samen für eine homologe Insemination verwendet wird. Zudem war im vorliegenden Verfahren die genetische Vaterschaft zwischen allen Beteiligten unstreitig, daher konnte auch nicht von einer Vaterschaftsanfechtung “ins Blaue hinein” die Rede sein. Der Zugang zur Vaterschaft außerhalb der konsentierten heterologen Insemination auch der Systematik des Abstammungsrechts. Letztere zeichnet sich im Unterschied zu einer bloßen Vaterschaftsanerkennung dadurch aus, dass bereits die Zeugung des Kindes auf einer entsprechenden Abrede der Beteiligten beruht und dieses sein Existenz damit dieser Vereinbarung verdankt. Hier ist ein Anfechtungsausschluss selbst dann gerechtfertigt, wenn der Anfechtende eine genügende eidesstattliche Versicherung abgegeben hat und zwischen dem rechtlichen (Wunsch-) Vater und dem Kind keine sozial-familiäre Beziehung mehr besteht. Wenn jedoch der Ausschluss der Anfechtung i.S.d. § 1600 Nr. 5 BGB mangels Einwilligung des Mannes in die künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten nicht greift, fehlt es zugleich auch an der Rechtfertigung, den Samenspender vom Anfechtungsrecht auszuschließen.
Dass die Mutter und ihre Lebenspartnerin eine Stiefkindadoption anstrebten, hielt der BGH im Übrigen für irrelevant, auch wenn zwischen den Parteien streitig war, ob da klagende Samenspender mit diesem Vorhaben ursprünglich einverstanden war, da dies für die Vaterschaftsanfechtung als alleiniger Verfahrensgegenstand nicht ausschlaggebend ist. Die Frage, ob die Lebenspartnerin das Elternrecht erlangen kann, ist nicht in einem Anfechtungsverfahren, sondern im Rahmen einer Stiefkindadoption gem. § 9 Abs. 7 LPartG zu entscheiden. Zudem ist die Lebenspartnerin vor der Adoption selbst dann nicht Trägerin des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 GG, wenn zu dem Kind und der Mutter eine sozial-familiäre Beziehung besteht. Zudem wird durch die Vaterschaftsanfechtung nicht unmittelbar in eine soziale Familie eingegriffen, da es sich hier um ein Statusverfahren handelt, das sich ausschließlich auf die rechtliche Elternstellung im Hinblick auf die Person des Vaters richtet und für gem. § 1600 Abs. 2 BGB die einzig die sozial-familiäre Beziehung zum Vater ein Hindernis sein kann.
Ein (zumindest grundsätzliches) Anfechtungsrecht des Samenspenders ist schon seit längerem gefordert worden (vgl. Ramm, JZ 1989, S. 870, wonach ein Samenspender nur dann nicht anfechtungsberechtigt sein soll, “wenn der Handlung der individuelle Bezug fehlt”). Das aktuelle Grundsatzurteil des BGH ist in der Kommentierung überwiegend auf Zustimmung gestoßen. So hält etwa Hilbig-Lugani fest, dass verfassungskonform nicht nur der Ausschluss aller Samenspender beseitigt ist, sondern es wäre dem BGH auch gelungen, ein Abgrenzungskriterium zu finden, dass Tatsachenfeststellungen aus der Intimsphäre weitgehend überflüssig macht, Allerdings wäre die Handhabung des § 1600 Abs. 5 BGB nicht ganz unproblematisch, da hier bisher immer die Einwilligung der Mutter und des Mannes im Blickpunkt lagen, nicht jedoch die des Dritten und auch nicht geklärt wäre, wie bei dem Fehlen eines Wunschvaters i.S.d. § 1600 Abs. 5 BGB zu verfahren wäre (LMK 2013, 249336). An anderer Stelle ist angemerkt worden, dass die Entscheidung im Ergebnis zwar überzeugend sei, aufgrund der Besonderheiten des Sachverhalts in ihrer Tragweite jedoch beschränkt wäre. Der Gesetzgeber sollte diese BGH-Entscheidung daher als Anlass nehmen, die Regelung des § 1600 Abs. 5 BGB entsprechend zu ergänzen. Allerdings wäre auch dann immer noch unklar, was gelten soll, wenn streitig ist, ob das Kind überhaupt durch eine Samenspende gezeugt wurde oder ob diese vom Anfechtenden stammt, eine entsprechende eidesstattliche Versicherung als ausreichende Zugangsvoraussetzung zur Anfechtung wäre vor diesem Hintergrund problematisch (Grün, ZKJ 11/2013, S. 448).
Feststehen dürfte aber, dass der BGH nun die vom BVerfG gerforderte Möglichkeit des biologischen Vaters, Zugang zur rechtlichen Vaterschaft zu erlangen, höchstrichterlich abgesichert hat und eine angestrebte Adoption durch eine/-n Lebenspartner/-in nicht dadurch erleichtert werden kann, dass zunächst ein Dritter, der an der Elternschaft nicht interessiert ist, die Vaterschaft anerkennt und später in die Adoption nach § 9 Abs. 7 LPartG i.V.m. § 1747 BGB einwilligt.
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